CDU und Grüne verhandeln in Hamburg: Die Kuschel-Koalition
Zuversicht verbreiten die Delegationen nach der ersten Verhandlungsrunde über Schwarz-Grün. Doch nun kommt der erste ernsthafte Knackpunkt: das Kohlekraftwerk Moorburg.
HAMBURG taz Strahlend gute Laune sieht anders aus. Angespannte Mienen auf grüner Seite, bemühte Lockerheit auf schwarzer prägen das Bild beim Auftakt der Koalitionsverhandlungen von CDU und GAL am Montag Nachmittag. Sieben männliche Christdemokraten und je vier grüne Frauen und Männer lassen gegen 13.20 Uhr ein kurzes Blitzlichtgewitter wortlos über sich ergehen im Oval Office im sechsten Stock des Hotels Grand Elysee an der Moorweide - dann schließen sich die Türen.
Und als etwa fünf Stunden später die VerhandlungsführerInnen beider Seiten im improvisierten Presseraum im Erdgeschoss vor die vollzählig versammelten Hamburger RathausreporterInnen treten, verbreiten sie Zuversicht und Kuschelatmosphäre. "Das waren gute Gespräche", sagte Bürgermeister Ole von Beust (CDU), "sehr offen und sachorientiert."
Viel mehr allerdings wollten weder er noch sein Parteichef und Finanzsenator Michael Freytag noch GAL-Parteichefin Anja Hajduk oder Fraktionsvorsitzende Christa Goetsch verraten. Man habe sich geeinigt, erst am Ende der Verhandlungen über einzelne Ergebnisse zu informieren. "Wir brauchen die Gesamtschau", so von Beust.
Goetsch verriet dann immerhin, dass keine Öffentlichen Bücherhallen mehr geschlossen würden, falls es zu einer schwarz-grünen Koalition käme. "Zudem wird es zusätzliche Bibliotheken an Schulen geben", so Goetsch. Freytag und Hajduk ergänzten, man sei sich einig, "dass ein ausgeglichener Haushalt Basis der weiteren Verhandlungen sein wird". Neue Schulden, bedeutet das im Klartext, wollen beide Partner nicht machen.
Es war also die erwartete Aufwärmrunde, dieser erste von sieben bis Anfang April vereinbarten Verhandlungsterminen. Bei den Wohlfühlthemen Sport und Kultur waren große Konflikte auch nicht ernsthaft erwartet worden.
Kritisch wird es nun am zweiten Verhandlungestag, wenn der konfliktträchtige Themenbereich Wirtschaft, Hafen, Verkehr und Umwelt auf der Tagesordnung steht - und damit die symbolbeladenen Knackpunkte Elbvertiefung und Kohlekraftwerk Moorburg. Deshalb wurde am Montag bereits erheblicher Druck von Seiten der Industrie auf CDU und GAL ausgeübt. Betreiber Vattenfall machte sich nachdrücklichst für das Kraftwerk stark, welches die GAL rundweg ablehnt. Vattenfall-Vorstand Hans-Jürgen Cramer erklärte in einem Abendblatt-Interview, es gebe zu dem Kraftwerk "keine Alternative". Moorburg sei das beste Kraftwerk, das derzeit in Europa geplant werde, und genau auf den Energiebedarf Hamburgs zugeschnitten.
"Wir sehen Moorburg als Teil eines Energie-Fundaments, das Hamburg für die Zukunft braucht", erklärte der Manager. Er erwartet "in den nächsten Tagen" eine Genehmigung für das Kraftwerk, weil alle Auflagen erfüllt seien. Eine Zwei-Milliarden-Euro-Investition könne nicht beliebig als politische Verhandlungsmasse verschoben werden. Vattenfall habe bereits mehrere hundert Millionen Euro in das Projekt investiert.
Der Vorsitzende des Industrieverbands Hamburg, Frank Horch, nannte die geplante Anlage "unverzichtbar". Unternehmen wie der Aluminium-Hersteller Trimet und die Kupferhütte Norddeutsche Affinerie hätten ihre Investitionspläne direkt auf das neue Kraftwerk abgestimmt und die Hamburger Politik stehe nicht nur gegenüber der Grundstoffindustrie mit ihrer Glaubwürdigkeit im Wort.
CDU-Fraktionschef Frank Schira wies derweil Spekulationen zurück, dass die CDU für die Elbvertiefung auf den Bau des Kohlekraftwerkes verzichten wolle. Für den Bundesvorsitzenden der Grünen, Reinhard Bütikofer, ist das umstrittene Steinkohlekraftwerk koalitionsentscheidend. "Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass es eine grüne Regierungsbeteiligung gibt, die zu Moorburg ja sagt", erklärter Bütikofer im Nachrichtensender ntv. Ein Versuch der CDU, Moorburg durchzusetzen, "wäre meines Erachtens gleichbedeutend mit einer Sabotage dieser Verhandlungen".
Das könnte sich bereits Dienstagabend zeigen.
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