CDU-Politiker Pfeiffer kritisiert Minister: "Röttgen verweigert die Arbeit"
Dass der Umweltminister keine Vorteile in langen Laufzeiten sieht, erbost den Unions-Wirtschaftsexperten Joachim Pfeiffer. Röttgen sei "nicht an Fakten orientiert".
taz: Herr Pfeiffer, selbst das Regierungsgutachten zeigt, dass längere AKW-Laufzeiten weder Wirtschaft noch Klima viel bringen. Sind Sie enttäuscht?
Joachim Pfeiffer: Nein, im Gegenteil. Das Gutachten sagt klar, dass der volkswirtschaftliche Effekt bei einer Laufzeitverlängerung von 12 bis 20 Jahren am größten ist. Darum sollten wir die Kernkraftwerke 20 Jahre länger am Netz lassen.
Kann Ihr Parteifreund Norbert Röttgen demnach nicht richtig lesen? Der Bundesumweltminister sieht "allenfalls marginale Unterschiede".
Der 43-jährige Baden-Württemberger ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Bis 1997 arbeitete er beim EnBW-Vorgängerunternehmen EVS.
Es ist offensichtlich, dass Norbert Röttgen sich in diesem Fall nicht an den Fakten orientiert, sondern andere Ziele verfolgt.
Enttäuscht sind Sie also eher vom Minister?
Die Regierung hat im letzten Jahr insgesamt nicht so zügig gearbeitet, wie wir uns das vorgestellt haben. Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf geeinigt, ein Energiekonzept für eine sichere, saubere und bezahlbare Energieversorgung in Deutschland zu erarbeiten. Ziel ist es, dass die Erneuerbaren den Hauptanteil an der Energieversorgung übernehmen. Auf diesem Weg werden in einem dynamischen Energiemix die konventionellen Energieträger kontinuierlich durch alternative Energien ersetzt. Die Laufzeitverlängerung ist im Rahmen des Energiekonzepts nur ein Aspekt von vielen. Es gilt zu ermitteln, wie lange wir die Kernenergie als Brücke brauchen.
Aber statt das zu tun, hat der Umweltminister Arbeitsverweigerung betrieben - oder sogar Obstruktion - und uns in eine Sackgasse manövriert. Keiner redet mehr über das Energiekonzept, es geht nur mehr um die Laufzeitverlängerung. Das ist aus meiner Sicht schon zu kritisieren.
Vielleicht hat er sich einfach von Argumenten überzeugen lassen.
Die Dinge sind doch alle nicht neu. Natürlich kann man unsere Ziele auf unterschiedlichen Wegen erreichen, aber die Frage ist doch, zu welchen Kosten. An den Fakten hat sich nichts geändert. Darum muss die Regierung jetzt ihre Hausaufgaben machen und ein umsetzbares Energiekonzept mit substanziellen Laufzeitverlängerungen vorlegen - und keine Mogelpackung.
Vor Protesten und Wahlniederlagen fürchten Sie sich?
Natürlich nehme ich die Sorgen und Nöte der Menschen ernst. Aber wir haben für vier Jahre einen Wählerauftrag, die im Wahlprogramm vereinbarten Inhalte umzusetzen. Daher können wir uns nicht bei jeder Entscheidung an vermeintlichen tagespolitischen Meinungsschwankungen orientieren, sondern müssen das tun, was wir für richtig halten. Wer everybodys Darling sein möchte, ist zuletzt everybodys Depp. Aber abgerechnet wird zum Schluss, und ich bin überzeugt, dass der Wähler dann zufrieden ist. Ansonsten hat er natürlich das Recht, bei der nächsten Wahl einer anderen Partei seine Stimme zu geben. Das gehört zur Politik dazu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“