: CDU-Landowsky löst Koalitionskrise aus
■ Fraktionschef der Union ist für Hochverschuldung. Chef der SPD-Fraktion: Bruch des Koalitionsvertrags. Krisensitzung
Genau eine Woche nach dem Scheitern der Volksabstimmung zur Fusion ist die Große Koalition in ihre erste Krise geschlittert. Ausgelöst hat den Konflikt Klaus- Rüdiger Landowsky, Fraktionschef der CDU, der gestern für eine neue Rekordverschuldung Berlins plädierte: „Wir werden in diesem Jahr nicht darum herumkommen, bei dem derzeit niedrigen Zinsniveau neue Kredite aufzunehmen.“ Es gebe in Berlin keine wesentlichen Sparpotentiale mehr, die „Belastungsgrenze weiter Bevölkerungsschichten“ sei erreicht und der Stellenstopp im öffentlichen Dienst müsse aufgehoben werden, sagte er der Berliner Morgenpost.
SPD-Fraktionschef Klaus Böger ist empört. „Das ist der Bruch des Koalitionsvertrags.“ Noch in der Regierungserklärung habe Eberhard Diepgen (CDU) die Ziele der Koalition unterstrichen, mit denen die jährliche Aufnahme von Milliardenkrediten um jeweils 650 Millionen Mark abgeschmolzen werden soll. Böger warf seinem CDU-Kollegen vor: „Das ist die Chaosmethode.“ Mit Landowsky gebe es keine verläßliche Koalitionsstrategie. Das sei in den vergangenen fünf Jahren so gewesen und habe sich bei der Volksabstimmung erneut gezeigt.
Landowsky hatte den Brandenburgern angedroht, bei einer Länderehe deren „sozialistischen Wärmestuben“ auszufegen, und den Fusionsgegnern damit Futter für ihre Berlin-Feindlichkeit geliefert.
Der Unionspate sei „die PDS von rechts“, die eben auch allen verspreche, alles sei möglich – ob nun ohne Fusion oder ohne Geld, sagte Böger. Er vermutete hinter dem Vorstoß, daß der CDU-Fraktionschef nur von der aktuellen Politik der Bundesregierung ablenken wolle, die die Länder ausbeute, um so die maroden Bundesfinanzen zu sanieren.
Böger will den Koalitionsausschuß in den kommenden Tagen einberufen lassen. Dieser soll bei Krisen der beiden Regierungsparteien vermitteln. Die Haushaltskonsolidierung sei weiterhin gemeinsame Regierungsaufgabe. „Vom Regierenden erwarte ich eine Klarstellung“, sagte Böger.
Da aufgrund sinkender Steuereinnahmen weitere Einsparungen nötig seien, will Böger eine Verkleinerung des Parlaments von heute 206 auf maximal 150 Mitglieder mit nur noch einem Präsidenten und einem Vize durchsetzen. Die Bezirksgebietsreform mit 18 statt der heute 23 Verwaltungsbezirke soll ebenfalls Geld sparen. Abteilungen der von 16 auf 10 zusammengelegten Senatsverwaltungen sollen aufgelöst werden.
Aus der Finanzverwaltung hieß es gestern, daß es sehr wohl noch Sparpotentiale gebe. So könne die Gewerbesteuer rückwirkend angehoben und die Agrarfakultät an der Humboldt-Universität gestrichen werden.
In der vergangenen Woche hatte sich der SPD-Linke Klaus- Uwe Bennetter ebenfalls für eine höhere Neuverschuldung ausgesprochen. Bennetter ist allerdings kein Mitglied der SPD-Fraktion. Dirk Wildt
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