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Bunter Babel-Beton

Duden-Verlag färbt Mannheims Fernmeldeturm zu einem Denkmal der Kommunikationskultur um  ■ Von Thomas Reutter

Ausgerechnet der graue Mannheimer Fernmeldeturm soll einmal in die Kunstgeschichte eingehen. Auserkoren hat ihn dazu die PR-Abteilung im Duden-Verlag. Dort will man hoch hinaus: genau die 120 Meter bis zur Aussichtsplattform. Denn den Turmschaft soll bald nicht nur Dudens weltgrößte zusammenhängende Werbefläche zieren, sondern die „Kulturgeschichte der Kommunikation“.

Eine Fernmeldeeinrichtung als Symbol der Kommunikationskultur und Duden-Denkmal. So dachte sich das Helmut Benze, der PR-Direktor im Duden-Verlag, und weihte vor mehr als zwei Jahren Roland Bickmann von einer Mannheimer Promotion-Agentur in seinen ehrgeizigen Plan ein. Kurz darauf engagierten die beiden den Kasseler Künstler Friedel Deventer für erste Entwürfe. Dessen künstlerische Arbeitsfelder sind Kunst im öffentlichen Raum, Sky- Art, Skulpturen und „Medienaktionen“. An Gebäudefassaden bis zu 30 Meter Höhe hat er schon gearbeitet. Erfahrungswerte mit Türmen gibt es allerdings noch nicht. Und zwar aus gutem Grund: hohe Windgeschwindigkeiten machen das Malen in schwindelerregender Höhe gefährlich. Schwierigkeiten bereiten auch das extreme „Hochformat“ und der Untergrund aus Beton, der Blickwinkel aus der Froschperspektive, die Verjüngung nach oben hin und vor allem die verzerrende Rundung.

Deventers elegante Lösung: Er wickelt seine Bildfolge spiralförmig wie eine Banderole um die Außenwand. 350 Meter lang wäre das ausgerollte Band. Der Bilderreigen der Kommunikationskultur soll am Fuße des Turms mit einer Darstellung des ägyptischen Gottes Thot einsetzen. Der Sekretär während des Totengerichts, gilt er als Erfinder der Schrift. Es folgen Hieroglyphen, ein chinesisches Gedicht, japanische Zeichen, eine magische Medaille aus dem Mittelalter, Auszüge aus der Lutherbibel (Turmbau zu Babel!)... Immer weiter windet sich das „Band der Geschichte“: Sätze aus dem Tagebuch eines SS-Arztes, TV-Programm, Comicblasen, Blindenschrift, das Flaggen- und Morsealphabet, ein maschinenlesbarer Code, all das gipfelt auf der Turmspitze in einem Blinklichtzeichen mit der sinnigen Botschaft: „Hohe Türme sieht man weit“ — ein Zitat aus dem Sprichwörterlexikon.

Um ein Haar hätte der Architekt, Prof. Erwin Heinle, die Zustimmung für die Bemalung „seines“ Turms verweigert. Umstimmen konnte ihn erst die Tatsache, daß die Architektur die Kunst überleben wird, weil die Farbe nur etwa zehn Jahre auf der Betonwand haltbar ist. Sauer sind hingegen die KünstlerInnen der Region, weil es keine öffentliche Ausschreibung gegeben hat.

Das ganze Unternehmen wird um die vier Millionen Mark kosten, das Geld soll zu 100 Prozent von privaten Firmen kommen. Der Duden-Verlag sucht mit Hochdruck nach den Sponsoren. Sollte die Summe aufgebracht werden können, wird noch in diesem Jahr mit der Realisierung begonnen.

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