: Bundesverfassungsgericht: Genetische Fahndung ist zulässig
■ Um einen Mord aufzuklären, mußten in München 750 Porsche-Fahrer genetischen Fingerabdruck leisten
Karlsruhe (taz) – Der genetische Fingerabdruck kann künftig im großen Stil als Fahndungsmittel eingesetzt werden. Dies entschied gestern das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Eine Massenfahndung, in deren Rahmen über 750 Münchener Porsche-Fahrer kurzerhand zu Mordverdächtigen erklärt worden waren, hatte den Ausschlag für diese Entscheidung gegeben. Denn einer der 750 Fahrer hatte sich gegen den Zwang zum Bluttest gerichtlich zur Wehr gesetzt.
Anlaß zu der Massenfahdnung war der Tod einer 24jährigen Frau im baden-württembergischen Nehren bei Tübingen. Das Opfer war 1992 in seiner Wohnung mit mehreren Halsschnittwunden verblutet. Hinweise aus der Nachbarschaft deuteten auf einen Sportwagen der Marke Porsche mit Münchener Kennzeichen hin.
Da alle anderen Spuren im Sand verliefen, kam die Kripo auf die Idee, alle Münchener Porsche- Fahrer nach ihrem Alibi in der Tatnacht zu fragen. Wer nicht hieb- und stichfest Auskunft geben konnte, wurde zum „genetischen Fingerabdruck“ gebeten. Bei dieser Blutuntersuchung sollte das Erbmaterial der Porsche-Fahrer mit Gensequenzen verglichen werden, die aus einer Spermaspur am Tatort isoliert werden konnten.
Nur einer von 750 Porsche-Fahrern setzte sich dagegen zur Wehr. Der 30jährige Münchener klagte gegen die richterliche Anweisung zur genetischen Untersuchung – bis die Klage als Verfassungsbeschwerde in Kalrsruhe vorlag. Seine Begründung: Er wolle sich nicht einfach zum Mordverdächtigen stempeln lassen, nur weil er einen Porsche besitze. Zudem hätte die Polizei sich erst einmal näher mit der von ihm benannten Alibizeugin befassen müssen.
Doch der 30jährige hatte keinen Erfolg. Eine mit drei RichterInnen besetzte Kammer entschied gestern, daß das Vorgehen der Münchener Polizei weder „willkürlich“ noch „unverhältnismäßig“ gewesen sei. Angesichts der Schwere der Tat stelle eine Blutprobe doch nur einen recht geringen Eingriff dar. Die Konsequenz: Die RichterInnen nahmen die Verfassungsbeschwerde gar nicht erst zur Entscheidung an. Der 30jährige Münchener muß nun doch noch seinen genetischen Fingerabdruck leisten. Christian Rath
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