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Bundesrat beschleunigt Bauten

Anträge für neue Betriebe sollen schneller genehmigt werden. SPD-geführte Länder fielen im Bundesrat um und hebeln Bürgerrechte aus  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Unternehmer können in Deutschland künftig zwischen verschiedenen Genehmigungsverfahren für neue Anlagen wählen.

Das Gesetz verpflichtet Behörden, Anträge auf neue Fabriken schneller zu bearbeiten. Die Mitspracherechte der BürgerInnen werden dagegen eingeschränkt. Gestern verabschiedete der Bundesrat das sogenannte Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz. Vor allem das SPD-regierte Niedersachsen hatte in den letzten Tagen aus „wirtschaftsfreundlichen Gründen“ für eine Zustimmung geworben und so auch Hamburg auf seine Seite gezogen. Das räumte eine Sprecherin der Landesregierung gestern ein.

Grundsätzlich sei man selbstverständlich für Bürgerbeteiligung. In einer Pressekonferenz in Hannover ließ die Landesregierung verbreiten, daß das Gesetz im Grunde gar nichts ändere. In Niedersachsen sei es bei der Mercedes-Teststrecke und der Emsvertiefung selbstverständlich gewesen, daß man im Vorfeld an Runden Tischen Kompromisse ausgehandelt habe; das werde auch so bleiben.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert Schröder als „Aktenträger der Industrie“. BürgerInnen würden als Investitionshemmnisse abgestempelt, obwohl ihre Beteiligung nachweislich nicht zu Verzögerungen der Genehmigungsverfahren beitrügen. An der Seite der Schröder-Regierung kämpfte auch Johannes Ludewig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, für die Verabschiedung des Gesetzes. Er brachte Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen auf Zustimmungskurs. Mit der Absegnung der Genehmigungsbeschleunigung wird zugleich das Atomgesetz geändert. Heidrun Heidecke, Umweltministerin in Magdeburg, hatte den Bundestag vor der Abstimmung Ende Juni vor dem „Lex Morsleben“ gewarnt.

„Der Bund hat mit dem Gesetz die einzigartige Möglichkeit, das einzige in Deutschland betriebene Endlager für radioaktive Abfälle auch ohne Planfeststellungsverfahren über das Jahr 2000 hinaus weiterzubetreiben.“

Im Bundestag hatte die SPD- Fraktion das Gesetz noch abgelehnt. In einem Entschließungsantrag hatten sie zu Protokoll gegeben: „Durch die Bürgerbeteiligung ist die Akzeptanz der verwaltungsverfahren und -entscheidungen verbessert worden.“ Das dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. Im Bundesrat kippten die Sozis um. Nur die beiden ebenfalls gestern zur Abstimmung stehenden Gesetze zur Verwaltungsgerichtsordnung und zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren verwiesen sie an den Vermittlungsausschuß.

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