Bundespolizeibeauftragter ernannt: Oberbeauftragter mit Befugnissen
Der neue Polizeibeauftragte ist nur für das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei zuständig. Dafür hat er weitreichende Eingriffsrechte.
Mit der Wahl eines Polizeibeauftragten wird ein Versprechen aus dem Ampel-Koalitionsvertrag umgesetzt. Bisher gab es diesen Posten auf Bundesebene nicht. Gewählt wurde an diesem Donnerstag der SPD-Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch, der selbst Polizist war. Seine Amtszeit beträgt fünf Jahre. Grötsch soll „strukturelle Mängel“ untersuchen, aber auch Einzelfälle aufklären. So steht es im Polizeibeauftragten-Gesetz, das der Bundestag erst im Januar beschlossen hat.
Grötsch ist allerdings nur für Beamt:innen der Bundespolizei und des Bundeskriminalamts zuständig. Die meisten Polizeibeamt:innen in Deutschland sind jedoch Beamt:innen der Bundesländer. Immerhin elf Bundesländer haben bereits eigene Polizeibeauftragte. Der Bundes-Polizeibeauftragte wird aber eine größere Bedeutung haben als seine Kolleg:innen in den Ländern. So wird Grötsch als halbwegs bekannter Bundespolitiker eine größere Sichtbarkeit haben. Außerdem hat er weitgehendere Befugnisse als viele Landesbeauftragte.
So kann Grötsch einen Fall auch dann untersuchen, wenn parallel strafrechtliche oder disziplinarrechtliche Ermittlungen geführt werden. Bei Strafverfahren kann die Staatsanwaltschaft allerdings ein Veto einlegen, wenn sie glaubt, dass der Beauftragte ihre Ermittlungen stört. Wie gut das Nebeneinander funktionieren wird, dürfte ein Thema für eine Evaluation werden, die nach fünf Jahren stattfinden soll.
In den Ländern betrifft ein Großteil der Eingaben von Bürger:innen schlechte Kommunikation und Unhöflichkeiten seitens der Beamt:innen. Hier kann der Polizeibeauftragte vermitteln und erklären. Ein großer Teil der Eingaben kommt zudem von Polizist:innen, die sich über schlechte Behandlung durch Vorgesetzte beschweren.
Die weiße Mittelschicht beschwert sich
Migrant:innen, die sich von der Polizei schikanös behandelt fühlen, wenden sich nur sehr selten an Polizeibeauftragte. Der Polizeiforscher Hartmut Aden erklärte das in einem taz-Interview damit, dass vor allem „Angehörige der weißen Mittelschicht“ Beschwerden schreiben. Immerhin muss Grötsch nicht auf persönliche Beschwerden warten, sondern kann Probleme auch von sich aus untersuchen.
Im Bundestag war die Einrichtung des Polizeibeauftragten umstritten. Dafür stimmten die Ampelkoalition und die Linke. Die CDU/CSU hielt das neue Amt für überflüssig: 80 Prozent der Bevölkerung seien mit der Polizei zufrieden, im Übrigen könne sich jeder an Gerichte wenden.
Gegen die Einrichtung waren auch die Gewerkschaft der Polizei und die Deutsche Polizeigewerkschaft. Nur der Bund Deutscher Kriminalbeamter begrüßte das neue Amt.
Ein Thema wird für Grötsch sicher das sogenannte Racial Profiling sein. Eigentlich ist es verboten, Personen nur aufgrund ihrer Hautfarbe und ähnlicher Merkmale zu kontrollieren. Betroffene haben aber oft den Eindruck, dass sie aufgrund solcher Kriterien gezielt herausgepickt werden. Die Polizei rechtfertigt das meist mit sogenannten Lagebildern.
Im Gesetzentwurf für die Novelle des Bundespolizeigesetzes, der an diesem Donnerstag im Bundestag erstmals beraten wurde, ist dazu eine innovative Idee vorgesehen: Kontrollierte sollen eine Bescheinigung verlangen können, in der der Grund der Kontrolle genannt wird. Dies soll eine mögliche gerichtliche Prüfung erleichtern. Relevant wird dies vor allem bei den Kontrollen wegen unerlaubter Einreise. Bei rund 390.000 derartigen Befragungen pro Jahr rechnet die Koalition damit, dass etwa jede:r Zehnte eine Bescheinigung verlangt. Amnesty International fordert, Kontrollen ohne begründeten Verdacht generell abzuschaffen.
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