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Bulgarien wählt erneut im Mai

Nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Lukanow soll eine Übergangsregierung aus Experten gebildet werden/ Gewerkschaft will Streiks fortsetzen, wenn ihre Bedingungen nicht erfüllt werden  ■ Aus Sofia Roland Hofwiler

Bereits gestern früh wurde vielen Bulgaren beim Erwachen klar, daß es mit dem Sturz der Regierung Lukanow und der Aussicht auf Neuwahlen im Mai nächsten Jahres nicht getan ist: Denn auch nach dem Erfolg für die Demonstrations- und Streikbewegung blieben die Regale gähnend leer. Zwar tuckerten die gelben Straßenbahnen wieder durch Sofia, aber den Menschen machte es in ihren kalten und überfüllten Wagen sichtlich wenig Freude, wieder an der Arbeitstelle zu erscheinen. Die trostlose Situation wird auch jetzt nicht in rosiges Licht getaucht. Denn selbst die Stromsperren werden beibehalten. Und am zentralen Busbahnhof, in den letzten Tagen Hochburg der streikenden Arbeiter, wechselte man das große Banner vor dem Tor lediglich aus. Wo bisher stand: „Lukanow, tritt ab — sofort“, heißt es nun: „Schlaft ihr, Beron und Trentschew?“ Kein Zweifel, viele Arbeiter werden auch gegen das Votum der Führer der Opposition weiterstreiken, wenn ihre Bedingungen nicht erfüllt werden.

Petar Beron, der wortgewaltige Führer der „Demokratischen Union“ ließ sich noch am Donnerstag abend als neuer Held des Landes feiern. Vor Zehntausenden Anhängern rief er von den Stufen der Aleksander-Newski-Kathedrale: „Wir haben gesiegt, wir sind frei, wir sind die Sieger.“ Doch zur „Siegesfeier“ waren weit weniger Menschen gekommen als am letzten Montag zur Auftaktdemo des landesweiten Generalstreiks. Die eher gedämpfte Stimmung hinderte den Gewerkschaftsvorsitzenden Konstantin Trentschew jedoch nicht daran, mit Sektflaschen unter dem Arm zu rufen: „Jetzt geht es voran, die Kommunisten sind am Ende.“

Glaubt man den Zeitungskommentaren in Sofia, so fehlt eigentlich jeglicher Grund zur Freude. Die der Opposition nahestehende Zeitung 'Demokrazija‘ mäkelt, der Rücktritt von Premier Lukanow sei viel zu spät gekommen. Bedenklich sei, daß es Staatspräsident Schelew nicht gelinge, auf die Schnelle eine Übergangsregierung zu installieren. Bis gestern stand nur soviel fest: Bis zu einer neuen Wahlrunde im Mai soll eine sogenannte „Nationale Regierung des friedlichen Übergangs zur Demokratie“, eine Art Expertenregierung, die Amtsgeschäfte führen. Prominente Persönlichkeiten und Wissenschaftler des Landes haben es aber in ersten Stellungnahmen bereits abgelehnt, angesichts des Hungerwinters die „große Verantwortung“ zu übernehmen. Immerhin sind aber trotzdem der Vizepräsident des Parlaments, Ginjo Ganew, der Wirtschaftswissenschaftler Todor Walchew sowie der Leiter der Bauernpartei, Viktor Walkow, im Gespräch, die Nachfolge Lukanows anzutreten. Im Sofioter Parlament stritt man unterdessen vor schwach besetztem Haus über die Zukunft des Landes. Niemand hat schlagende Ideen, wie es weitergehen soll. Das Fernsehen übertrug die wichtige Dabatte nicht.

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