: Büros über den Scheunendächern
■ Obwohl die historischen Strukturen der Spandauer Vorstadt erhalten bleiben sollen, wird in der Joachimstraße ein Bürohaus gebaut/ Fehlende Bestimmungen bilden eine Einladung für Spekulanten
Mitte. Die Ohnmacht einer Bezirksstadträtin gegenüber dem Senat konnte am Donnerstag jeder sehen, der an der Aktuellen Stunde des Bezirksparlaments von Mitte teilnahm.
Es ging um den Bereich Bauen und Wohnen der Stadträtin Dorothee Dubrau. In der Joachimstraße in der Spandauer Vorstadt, dem »Scheunenviertel«, baut ein Investor ein Bürohaus. Es überragt das Nachbarhaus um ein ganzes Geschoß. Die in diesem Viertel typische Betonung der Blockecke wurde auf diese Weise geopfert.
Vor allem aus Wohnhäusern besteht die nähere Umgebung. Das Scheunenviertel wird in absehbarer Zeit Sanierungsgebiet. Vorher soll nach der Vorstellung des Bezirkes und der Betroffenenvertretung Spandauer Vorstadt eine Erhaltungssatzung wirksam werden. Sie schützt die historische Bauweise des Stadtteils und — hoffentlich — die Sozialstruktur der Bewohnerschaft. Der Bezirk besteht seit 1990 auf der Erhaltungssatzung. Seit dem vorigen Jahr wird die Sanierungswürdigkeit des Scheunenviertels im Auftrag des Senates untersucht.
Obwohl Bezirk und Betroffene den Senat drängen, versteht es die Senatsverwaltung, beide Vorhaben zu verzögern. Frau Dubraus Amt muß Bauanträge von Investoren allein nach dem Baugesetzbuch bescheiden, denn es gibt nicht einmal einen gültigen Flächennutzungsplan für das Gebiet. Die Regelung des Baugesetzbuches besteht aber fast nur aus Ausnahmen. Daher könnte man zwischen die zweihundertjährigen Baudenkmale des Scheunenviertels gut und gerne eine Tankstelle oder eine Bowlinghalle klotzen.
Die wohlklingenden Beschlüsse der BVV Mitte zur Erhaltung der Stadtstruktur können kaum verhüllen, daß die geltende Rechtslage eine Einladung an Spekulanten darstellt. So wird es bleiben, bis der Senat handelt. Auch daß der Bezirk dem Bauherrn zwei Dachwohnungen im Bürohaus aufgeschwatzt hat, beruhigt wohl keinen der 15.000 Wohnungssuchenden in Berlin-Mitte.
Immerhin scheint vorerst der Plan der Rentaco AG vom Tisch zu sein, ein Handelszentrum in den Monbijoupark zu stellen. Der Park ist eine von wenigen Grünflächen der nördlichen Stadtmitte.
Frau Dubrau erzählt, auf welche bemerkenswerte Weise der Investor vorging: Erst hatte man vor der Senatsverwaltung so getan, als wünsche der Bezirk dringlich den Bürobau in den Park, um dann mit dem Placet des Senates das Bezirksamt unter Druck zu setzen. Dieses Mißverständnis ließ sich jedoch rasch aufklären.
Auch die Betroffenenvertretung Spandauer Vorstadt spürt den Gegenwind aus dem Berliner Rathaus. Sie will deshalb mit anderen Initiativen in Mitte, Tiergarten und Kreuzberg zusammenarbeiten. Konstantin Breyer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen