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Bürgerkrieg"Tod und Zerstörung" im Gazastreifen

Die Kämpfe zwischen den Palästinensergruppen Hamas und Fatah geraten weiter außer Kontrolle. Die Fatah hat wegen der Eskalation vorerst die Regierung verlassen.

Brennendes Gebäude in Gaza Bild: dpa

GAZA taz/AP Mitglieder der islamischen Hamas-Bewegung und der gemäßigten Fatah haben sich am Mittwoch im Gazastreifen erbitterte Kämpfe geliefert. Im Zentrum der Stadt Gaza kam es zu heftigen Schießereien um die Kontrolle von Hochhäusern und Straßenkreuzungen. Überall in der Stadt war das Stakkato von Maschinengewehren zu hören. Beide Seiten sprachen von Bürgerkrieg.

Die Bewohner von Gaza wagten sich nicht auf die Straße. "Ich weiß nicht mehr, wie ich meine Kinder trösten soll", sagte Wafa Dschaber, die mit ihren fünf Kindern in ihrer Wohnung eingeschlossen war. "Fatah und Hamas führen uns in Tod und Zerstörung", sagte die 29-jährige Ajja Chalil. "Sie kümmern sich überhaupt nicht um uns."

Rund 200 Hamas-Kämpfer überrannten am Dienstagabend die Zentrale einer mit der Fatah verbündeten Sicherheitstruppe im nördlichen Gazastreifen. Dabei wurden mindestens 17 Menschen getötet. Augenzeugen berichteten von einer zunehmenden Überlegenheit der Hamas. In einem Versuch der verzweifelten Gegenwehr griffen Fatah-Kämpfer den Fernsehsender der Hamas an, wurden aber zurückgeschlagen.

Wegen der Eskalation der Lage setzte die Fatah-Bewegung ihre Mitarbeit in der palästinensischen Regierung vorerst aus. Das Zentralkomitee der Partei beschloss am Dienstagabend auf einer Krisensitzung in Ramallah zudem den vollständigen Rückzug aus dem von der Hamas geführten Kabinett, falls die Kämpfe im Gazastreifen nicht eingestellt werden. Einige Fatah-Funktionäre drängten den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, den Ausnahmezustand auszurufen, was ihm weit reichende Befugnisse geben würde.

Zugleich verstärkte sich die Sorge, dass die Kämpfe auf das Westjordanland übergreifen könnten. Dort ist die Fatah in der Überzahl. Bei einer Schießerei in Nablus wurden am Dienstagabend nach Angaben der Fatah vier Hamas-Aktivisten verletzt.

Der Machtkampf zwischen Hamas und Fatah setzte nach der Parlamentswahl vom 25. Januar 2006 ein. Damals beendete die Hamas die vier Jahrzehnte währende Vorherrschaft der Fatah und übernahm die Regierung der palästinensischen Autonomiegebiete. Unter dem Eindruck der wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Gefolge des internationalen Boykotts der Hamas-Regierung kam es im Dezember zu tödlichen Schießereien zwischen den rivalisierenden Gruppen. Dennoch wurde im März dieses Jahres eine Regierung der nationalen Einheit unter Einschluss der Fatah gebildet. Im Streit um die Kontrolle der Sicherheitskräfte flammten Mitte Mai aber erneut heftige Kämpfe zwischen Fatah und Hamas auf.

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