BürgerInnen zahlen Sanierung: Der gerettete Bahnhof
Die Bahn hatte kein Interesse, also ergriffen rund 600 CuxhavenerInnen die Initiative: Als Genossenschaft ließen sie das heruntergekommene Bahnhofsgebäude sanieren.
Kein Einzelfall, sagt Michael Glenz: Die Gebäude seien nicht Teil der Bahnreform gewesen, damals in den 1990er-Jahren. Während der Unterhalt und die Reinigung von Bahnsteigen über „Stationsgebühren“ bezahlt werden, die anfallen, wenn Züge dort halten, müssen die Gebäude sich über Mieteinnahmen finanzieren – und das klappt in kleinen und mittleren Städten heute immer schlechter.
Glenz ist Betreiber einer Werbeagentur in Cuxhaven, Mitglied im Vorstand des dortigen Grünen-Ortsverbands – und in jenem der Genossenschaft, die sich zur Aufgabe gemacht hat, der Stadt am Meer wieder einen richtigen Bahnhof zu verschaffen, einen „Bürgerbahnhof“: nicht den ersten seiner Art, aber in Niedersachsen – und nach Angaben der InitiatorInnen auch der bislang größte bundesweit.
Anfang Dezember wurde das Bahnhofsgebäude wiedereröffnet, nach fünfzehn Monaten Bauarbeiten. Genau genommen ist es Cuxhavens zweites, 1898 erstmals eröffnet; ein erstes stand schon 1890 unweit davon, parallel zu den Gleisen, nicht vor dem Kopf.
Seit dem 9. Dezember – und zunächst bis Ende 2027 – betreibt „Start Unterelbe“ die Regionalstrecke Hamburg–Cuxhaven.
Die Verkehrsgesellschaft mit Sitz im Cuxhavener Bahnhof ist eine Tochter der „Regionalverkehre Start Deutschland“, die eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn ist. Durch „flache Kostenstrukturen und schlanke Prozesse“ will der Mutterkonzern damit „Netze von Wettbewerbern zurückgewinnen“.
Durchgesetzt hat sich „Start“ auch auf der Strecke Hamburg–Cuxhaven in einer euroapaweiten Ausschreibung: Zuletzt hatte der Anbieter Metronom die Strecke seit Dezember 2007 bedient.
Die Züge stellt das Land Niedersachsen, bisherigen Metronom-Mitarbeitern will „Start“ ein Übernahmeangebot gemacht haben.
Knapp fünf Millionen Euro seien für die Sanierung ausgegeben worden, hieß es nun, davon brachte die Genossenschaft rund 1,2 Millionen auf. Zwar war da, Anfang Dezember, noch nicht alles fertig, fehlte etwa eine Treppe, und nicht alle MieterInnen hatten ihre Fläche schon bezogen. Aber es ließ sich doch erahnen, wie es einmal aussehen würde: „Wir haben Licht, Weite, Kunst“, so Gabriele Grubel, ein weiteres von insgesamt drei Vorstandsmitgliedern. Aus einem „Schandfleck“, einem zum Abriss freigegebenen Gebäude sei ein „Bahnhof der Begegnung“ geworden.
Darin sei „jeder Winkel genutzt“, so Grubel, neben 600 Quadratmetern öffentlichem Raum sind demnach rund 1.400 Quadratmeter vermietet: an Gastronomie und Buchhandel, Verkehrsbetriebe und eine Autovermietung, Tourist-Information, eine Werbeagentur – die von Michael Glenz – und eine Jugendhilfeeinrichtung. Auch das wurde klar bei dem kleinen Empfang bei belegten Brötchen, Saft und Sekt: Die Mieteinnahmen sind dringend eingeplant zur Refinanzierung. „Helfen Sie mit, dass dies ein Ort wird“, bat Grubel, „an dem man sich wohl fühlt“.
„Wir sind als Bürger eingesprungen“, sagte Glenz: Aus Sicht der GenossInnen, etwas über 600 an der Zahl, wäre es eigentlich eine öffentliche Aufgabe, für einen Bahnhof zu sorgen. Die Bahn sah es anders, wollte das schon 2008 für überflüssig erklärte Gebäude 2013 einem Investor überlassen.
Im selben Jahr gründete sich dann die Genossenschaft, kaufte schließlich 2016 das Objekt von der Stadt. Geht es nach den GenossInnen, darf das Modell gerne Schule machen: Auch und gerade in Orten, an denen, so Glenz „die Gegebenheiten nicht so positiv“ sind, also die Lage des Bahnhofs etwa weniger günstig, und die Zusammenarbeit mit der Kommune weniger reibungslos.
Mehr als eine Million Ein- und Ausstiege
Auch wenn es derzeit nur noch zwei Verbindungen gibt, eine mit Bremerhaven, eine mit Hamburg: Auf mehr als eine Million Ein- und Ausstiege jährlich wird das Aufkommen am Bahnhof veranschlagt. Diesen Menschen versprach Cuxhavens Baudezernent Martin Adamski jetzt ein freundlicheres Willkommen – auf mittlere Sicht wenigstens: Bezuschusst auch vom Bund, werde die Stadt Anfang kommenden Jahres auch das Umfeld des einstigen „Schandflecks“ aufhübschen: Nicht länger benötigte Betriebsgebäude werden abgerissen, danach auch der benachbarte Busbahnhof saniert.
Ende Januar will die Genossenschaft den Bürgerbahnhof noch mal richtig feiern, dann soll sogar die Gastronomie so weit sein. Am 1. Dezember war der Bahnhof Schauplatz noch einer anderen Premiere geworden: Mit einem Fest und einer Jungfern-Sonderfahrt hatte der neue Betreiber der Verbindung nach Hamburg, die Bahntochter „Start“ (siehe Kasten), den Betrieb eingeläutet – auch eine MieterIn im renovierten Backsteingebäude.
Kaum eingeweiht, ist die neue alte direkte Verbindung nach Hamburg übrigens schon wieder dahin: Zumindest zwischen den Jahren fährt wegen dringender Instandsetzungen auf Hamburger Gebiet zwischen dem dortigen Hauptbahnhof und der Station Harburg nur die S-Bahn. Wer von der Alster an die Nordsee will oder in die entgegengesetzte Richtung, muss also doch erst mal wieder: umsteigen.
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