■ Die Arbeitgeber sitzen am längeren Hebel: Bündnis für Arbeit ohne Partner
Schon nach der ersten Runde ist klar, daß das Bündnis für Arbeit kein Bündnis ist. Die Äußerungen des Gesamtmetallchefs Gottschol haben in Erinnerung gebracht, daß es keine Einsicht in die Problemlage der Arbeitslosigkeit ist, kein Gefühl der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, was die Unternehmer an den Verhandlungstisch bringt. Kein noch so plausibles Modell der Arbeitsumverteilung, der Arbeitszeitverkürzung, der Überstundenverrechnung vermag sie zu überzeugen, solange sich Plausibilität nicht in Rentabilität umsetzt. Arbeitsmarktpolitik ist Wirtschaftspolitik, und die ist eine Frage der Ressourcen. Die sind bekanntlich knapp und die Kalkulationen eng. Die Gewerkschaften haben bereits vor der ersten Gesprächsrunde diesem Umstand Tribut gezollt, indem sie von der Mär von der Vollbeschäftigung Abschied genommen und den Zusammenhang zwischen Lohnkosten und Beschäftigung anerkannt haben. Es blieb ihnen kaum etwas anderes übrig.
Sie ließen sich damit auf eine Logik ein, deren doppelte Konsequenz die Arbeitgeber in der ersten Runde präsentiert haben: weitere Reduzierung der Kosten des Faktors Arbeit und Flexibilisierung gegenüber den Erfordernissen der Einzelunternehmen. Im Gegenzug die vage Aussicht auf Einstellung einer nicht klar bezifferten Zahl von Arbeitslosen, denn wohlgemerkt, das Ganze ist sowieso nicht justitiabel.
Die allgemeine Zustimmung, die das „Bündnis für Arbeit“ seit seiner Verkündung hervorrief, wird sich nicht in Arbeitsplätze umrechnen. Das mag diejenigen enttäuschen, die die Vorstellung hegen, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik seien eine Frage der Ethik. Betrachtet man die Auseinandersetzung unter dem Gesichtspunkt der Interessenspolitik, so zeichnet sich für die Gewerkschaften ein Dilemma ab. Ihre Organisationskraft wird in dem Maße nachlassen, in dem die Einzelbetriebe die zentrale Ebene der Vereinbarungen werden. Ihr Rückhalt bei den Beschäftigten wird in dem Maße schwinden, in dem der Kampf für die Arbeitslosen nicht auch ihre Lage erkennbar stabilisiert. Ein Rückgriff auf die klassische Rolle der Interessensvertretung der Arbeitenden könnte die fatale Folge sein. Demgegenüber sitzen die Unternehmer am längeren Hebel. Sie verhandeln um eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage. Sollte die daran gekoppelte Einstellung von Arbeitslosen nicht im anvisierten Umfang erfolgen, schadet das zweifelsohne ihrem öffentlichen Ruf. Doch ist dieser Teil der Wirtschaft nicht sowieso schon ruiniert? Dieter Rulff
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