: Bündnis begraben
■ Demokraten lehnen Unterstützung von Boris Jelzin im Wahlkampf ab
Moskau (dpa/AFP) – Die Bildung einer demokratischen Allianz zur Unterstützung Boris Jelzins im Präsidentschaftswahlkampf gegen die Kommunisten wird offenbar immer unwahrscheinlicher. Nach dem Reformer Grigori Jawlinski schlossen gestern auch der Ex-General Alexander Lebed und der Arzt Swjatoslaw Fjodorow die Bildung einer Koalition für die Wahlen am 16. Juni vorerst aus. Jelzin hatte zuvor angekündigt, er setze auf die Unterstützung dieser sogenannten „dritten Kraft“, um einen Sieg seines kommunistischen Herausforderers Gennadi Sjuganow zu verhindern.
„Es sieht so aus, als könne man diese Koalition begraben“, sagte Lebed in Moskau. Er sei bereit zu Verhandlungen mit allen politischen Kräften, um einen Bürgerkrieg in Rußland zu verhindern. Der russischen Zeitung Iswestija sagte Lebed: „Ich kann aus einem einfachen Grund dieser Koalition nicht beitreten: Die heutige Macht ist nicht besser als die kommunistische.“ Lebed betonte, daß er seine Kandidatur nicht zurückziehen werde.
Auch Fjodorow schloß im Gespräch mit der Nachrichtenagentur ITAR-TASS vorerst aus, sich einer Koalition reformorientierter Politiker zur Unterstützung Jelzins anzuschließen. Jawlinski hatte bereits am Wochenende ein Wahlbündnis mit Jelzin abgelehnt. Lebed, Jawlinski und Fjodorow hatten Ende April die Bildung eines Wahlbündnisses angekündigt, sich aber in den vergangenen Tagen immer mehr von einer Allianz distanziert. Die Troika kann zusammen auf etwa 20 Prozent der Stimmen hoffen.
Unterdessen rief der bekannte General Boris Gromow zur Unterstützung von Präsident Boris Jelzin bei der Wahl auf. Eine reelle Chance hätten nur Jelzin und sein Herausforderer Gennadi Sjuganow, sagte Gromow laut der Nachrichtenagentur Interfax. „Einer von ihnen steht für die Fortsetzung der Reformen, der andere für die Rückkehr in die Vergangenheit. Ich würde den Präsidenten wählen.“ In einigen russischen Medien wird Gromow bereits als Nachfolger von Verteidigungsminister Pawel Gratschow gehandelt. Er hatte sich gegen die russische Militärintervention in Tschetschenien ausgesprochen.
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