piwik no script img

Bücher aus Bonn mit Wein und Senf

■ Gestern Waigel, Schäuble, Seiters, vorgestern Herzog, neulich Schröder und Glotz. Nette Vorspiele zur Buchmesse in Frankfurt

Bonn (taz) – Das waren ja wieder einmal viele interessante Pressekonferenzen gestern in Bonn. Von der deutschen Welthungerhilfe, dem Steuerzahlerbund, dem Deutschen Landkreistag, der Luftfahrtindustrie und anderen mehr. Doch darüber wird heute eher weniger zu lesen sein. Selbst eine Pressekonferenz zur Präsentation des Zwei-Liter-Motors hätte gestern nur wenige Anhänger unter der berichtenden Zunft gefunden.

Wir Journalisten hatten Besseres zu tun. Zunächst hatte Finanzminister Theo Waigel zur Buchvorstellung geladen, eine halbe Stunde später stellten der CDU- Fraktionschef Wolfgang Schäuble sowie sein Vize Rudolf Seiters ihr gemeinsames Werk vor. Alle fungieren übrigens als Herausgeber. Da sind wir natürlich alle hin. Es gibt Bücher umsonst, es gibt kostenlos zu essen und zu trinken, und man hat mal wieder die Gelegenheit, den größten Teil des Kollegenkreises auf einmal zu sehen. Das ist sonst eher selten. Wichtige Ereignisse scheinen ansonsten rar zu sein in Bonn.

Mit Gerhard Schröder fing der Bücherreigen in der vergangenen Woche an. Es gab Gulaschsuppe und guten Wein. Etwa 200 Gäste waren erschienen. Gerhard Schröder kam erst, als der grüne Vorstandssprecher Jürgen Trittin das Buch bereits besprochen hatte. Aber wozu kam der niedersächsische Ministerpräsident überhaupt? Gerhard Schröder hatte das Buch nicht selbst geschrieben, sondern zwei Bild-Zeitung-Journalisten. Na ja, merkt ja keiner, wer nicht ausgerechnet auf die Idee kommt, das Buch zu lesen.

Vorgestern brauchten wir schon wieder nicht einkaufen zu gehen. Am Abend stand die Buchvorstellung von Peter Glotz bevor. Es gab Würstchen. Doch gerade darüber wollen wir uns jetzt nicht lustig machen. Peter Glotz war nämlich pünktlich, er ließ keinen Prominenten das Buch besprechen und vor allem: Er hat das Buch von der ersten bis zur letzten Seite selbst geschrieben. Ein bißchen mürrisch und hölzern stand er am Rednerpult und las an seinem letzten Tag als Bundestagsabgeordneter aus seinem Buch vor.

Der Woche-Kolumnist kann zweifelsohne gut schreiben. Viele der etwa 150 Gäste waren sich einig: Da werden wir reingucken.

Schließlich ist schon der Titel des Buchs interessant. „Die Jahre der Verdrossenheit“. Untertitel: „Ein Tagebuch ohne Rücksichten“. Das Gerhard-Schröder-Buch heißt „Gerhard Schröder“.

Waigel leckert seine Leser mit: „Unsere Zukunft heißt Europa“ an. Und Schäuble und Seiters, die 21 junge CDU-Abgeordnete, darunter als einzige Frau Ministerin Claudia Nolte, in ihrem Buch zu Wort kommen lassen, versprechen: „Außenpolitik im 21. Jahrhundert“. Waigel ließ sich von Bundeskanzler Helmut Kohl promoten. Schäuble und Seiters vom ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Den Büchern sieht man das natürlich später nicht an. Der Senfklecks kam vom Buffet.

Am Abend beendete gestern Bundespräsident Roman Herzog den Reigen der Buchvorstellungen. (Was es zu essen gab, konnten wir bis Redaktionsschluß nicht herausbekommen): „Vision Europa – Antworten auf globale Herausforderungen“, heißt es. Na denn: Prost Mahlzeit. Markus Franz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen