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Brutus gegen Cäsar

Die rechtsextreme „Front National“ in Frankreich scheint endgültig zwischen Le Pen und Mégret gespalten  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Frankreichs Ex-Innenminister Charles Pasqua kann sich ins Fäustchen lachen. Ganz ohne eigenes Zutun hat der konservative Europakritiker und Ex-Innenminister von den Gaullisten (RPR) in den vergangenen Wochen Punkte gesammelt. Der Häuptlingsstreit in der „Front National“ hat ihm nach jüngsten Umfragen des Institutes CSA bereits zwei Prozent der WählerInnen der Rechtsextremen zugetrieben. Bis zu den Europaparlamentswahlen im Juni könnte ihre Zahl weiter steigen.

Schließlich ist die Spaltung der „Front National“ noch lange nicht abgeschlossen. Der öffentliche Bruch zwischen den beiden bisherigen Chefs der „Front National“ freilich ist jetzt vollzogen. Der Parteigründer und lautstärkste rechtsextreme Krakeeler Frankreichs, Jean-Marie Le Pen (70), hat seinem bisherigen Vize Bruno Mégret (49) alle Ämter und die Parteimitgliedschaft entzogen. Bei den Wahlen zum Europaparlament wollen die beiden an der Spitze konkurrierender Listen antreten. Zwar lieferte gestern ein Mitstreiter Mégrets 14.000 Unterschriften von Parteimitgliedern für den strittigen außerordentlichen Kongreß im Januar in der Parteizentrale ab. Doch zugleich steht fest, daß nur ein Viertel der FrontistInnen dem Herausforderer Mégret folgen. Mégret wird von einer Mehrheit der rechtsextremen Apparatschiks unterstützt. Die Kommunal-, Kantonal- und RegionalrätInnen der „Front National“ sehen in dem aalglatten Absolventen der Eliteschule ENA, den politisch wenig, stilistisch aber vieles von Le Pen unterscheidet, eine bessere Garantie für ihre politische Zukunft.

Außerhalb des Parteiapparates ist die Zustimmung zu Mégret vor allem von den Einkommensverhältnissen abhängig. Wer AngestellteR ist, mehr als 20.000 Franc im Monat verdient und rechtsextrem wählt, wird laut CSA bei den nächsten Wahlen eher für Mégret stimmen. Insgesamt prognostiziert ihm das Institut für den kommenden Juni vier Prozent aller Stimmen. Das wäre eine schwere Niederlage für Mégret, der damit unterhalb der Fünfprozenthürde für das Europaparlament bliebe und Wahlkampfkosten in Millionenhöhe hätte, die ihm nicht erstattet würden.

Altmeister Le Pen darf sich weiterhin der ungebrochenen Zustimmung an der Basis rühmen. Die Mehrheit der rechtsextremen Klientel – Junge wie Alte, Frauen wie Männer, BauerInnen wie HandwerkerInnen und ArbeiterInnen wie Arbeitslose – zieht ihn vor. Sein lautes Geschrei von „Verrat“ und „Komplott“ und seine Brandmarkung Mégrets als „Brutus“, der ihn, „Cäsar“, hinterrücks erlegen wolle, haben Le Pen genausowenig geschadet. Laut CSA wollen ihm im kommenden Juni zehn Prozent der französischen WählerInnen die Stimme geben.

An der Parteispitze allerdings brodelt es weiterhin. Selbst langjährige enge Gefährten von Le Pen, wie der bekannte Weinhändler und „Front National“-Finanzier Pierre Jaboulet Vercherre, zeigen deutlich ihre Vorliebe für den Herausforderer Mégret. Jaboulet Vercherre legte vorgestern sämtliche Parteiämter „aus privaten“ Gründen nieder. Die WählerInnenschaft der nunmehr auf zwei Fronten gespaltenen rechtsextremen „Front National“ ist laut der CSA-Umfrage seit dem vergangenen Monat um insgesamt zwei Punkte geschrumpft.

Das nächste Kapitel im nunmehr drei Wochen währenden Häuptlingsstreit wird voraussichtlich vor Gericht stattfinden. Dabei wird es sowohl um den Millionenbesitz der rechtsextremen Partei als auch um das Recht auf Inanspruchnahme politischer Titel gehen. Den Namen „Front National“ allerdings, der ursprünglich eine Résistance-Gruppe gegen die NationalsozialistInnen im Zweiten Weltkrieg bezeichnete, haben sich unlängst bereits Außenstehende gesichert: Die linke satirische Wochenzeitung Charly Hebdo stellte beim zuständigen Amt erstaunt fest, daß ihn bislang keinE RechtsextremeR unter Schutz gestellt hatte, und beantragte ihn kurzerhand für sich.

Neben dem Einblick in die Führerkultur bei der „Front National“ frischte der Häuptlingsstreit auch das Wissen über die menschlichen Qualitäten Le Pens auf. Der seit 1991 in zweiter Ehe verheiratete Chef, der in den 80ern seine damalige Gattin aus dem gemeinsamen Landbesitz vertrieben hatte, erteilte jetzt seiner Tochter Marie- Caroline Hausverbot. Die jüngste der drei Le-Pen-Töchter hatte sich öffentlich auf die Seite von Herausforderer Mégret gestellt. Le Pens Ex-Gattin Pierrette sagte in einem haßerfüllten Interview mit einer Illustrierten: „Le Pen und Mégret sind außer ihren körperlichen Unterschieden völlig gleich.“

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