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■ Brüssel: Wettbewerbskommissar droht Bertelsmann und KirchKartellrecht sichert Meinungsfreiheit

Es muß eine Art Wahrnehmungsproblem sein, was die Brüsseler Kartellwächter und die Medienkonzerne Bertelsmann und Kirch voneinander trennt. Immer wenn die Konzernoberen von Gesprächen in Brüssel zurückkehren, haben sie nur die angenehmsten Erinnerungen: Ihre Pläne, den künftigen digitalen Fernsehmarkt gemeinsam zu beherrschen, träfen bei den Wettbewerbshütern auf viel Verständnis, behaupten sie. Man brauche diesen Juristen den Medienmarkt nur einmal richtig zu erklären, meint Bertelsmann-Manager Rolf Schmidt-Holz schon mal nach einem solchen Gespräch. Ein Verbot erwarte man aus Brüssel schon gar nicht. Und wenn dann EU-Kommissar Karel van Miert ob solcher Unbekümmertheiten der Kragen platzt, dann zucken die Medienmanager nicht etwa zusammen, sondern äußern Verständnis: Der Mann habe eben ein „Kommunikationsproblem“, sagt Schmidt-Holz dann. Gegenüber den eigenen Leuten natürlich. Kein Wunder, daß der Brüsseler Wettbewerbskommissar den Konzernmanagern nun ultimative Briefe schreibt, um ihnen zu zeigen, wo der Hammer hängt.

Es ist schnell erklärt, warum die beiden deutschen Medienunternehmen die Kontrolle von der Behörde in Brüssel nie so recht ernst nahmen und jetzt ganz konsterniert vor dem blauen Brief sitzen: Sie sind einfach von ihren deutschen Erfahrungen ausgegangen und haben den Brüsseler Wettbewerbshüter behandelt, wie sie es bei den deutschen Medienwächtern und -politikern gewohnt sind. Die sind nämlich schon lange nicht viel mehr als eine „Laienspielschar“, wie es einer der ihren ausdrückte.

Ohnehin wurde das Konzentrationsrecht im Medienbereich bei uns längst weitgehend abgeschafft. Wenn man es wie Bertelsmann und Kirch von zu Hause gewohnt ist, daß Ordnungspolitik selbst von ihren Exekutoren als Tand aus alten Zeiten behandelt wird, dann sieht man es möglicherweise anderswo gar nicht mehr ein, daß Politik den eigenen Ambitionen Grenzen setzt.

Medienkontrolle sollte hierzulande einmal Meinungsfreiheit sichern – den Wert den dieses Grundrecht noch hat, kann man am Trauerspiel des deutschen Medienrechts ablesen. Kartellwächter müssen hingegen nur den Wettbewerb sichern. Für die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland jedoch könnte es möglicherweise ein Glücksfall sein, daß zumindest dieser Wert in den Zeiten der Deregulierung noch etwas gilt – zumindest in der EU-Kommission. Lutz Meier

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