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Brüllwitz auf dem Drahtseil

■ „Bust of Jango“ - Eine gelungene Selbstparodie im Tivoli

Jango Edwards betritt die Bühne - und alles ist so, wie man es erwartet hat. Noch immer erzählt er seine obszönen Witze, in denen Schwänze, Busen und Arschlöcher die Hauptrolle spielen. Noch immer trägt er zu jeder Nummer ein anderes Kostüm von stets ausgesucht schlechtem Geschmack. Noch immer kostet er die Freuden der Selbstentblößung weidlich aus. Es ist seine eigene Legende, die Edwards in dem aktuellen Programm „The Bust of Jango“ im Schmidts Tivoli vorführt: Jango Edwards, der Anarcho-Clown.

Die Überraschung ist, daß das noch immer funktioniert. Der Charme des Subversiven, der ihm in den 70er Jahren nachgerühmt wurde, ist zwar mittlerweile verflogen, aber den schwierigen Drahtseilakt zwischen Peinlichkeit und Brüllwitz hat Jango auch heute noch voll im Griff.

Sei es als Pianist im Kampf mit seinen Haaren, dem Frack und seiner linken Hand, oder als Elvis-Kopie, die so fett ist, daß sie kaum durch die Tür paßt – in seinen Parodien wühlt sich Jango Edwards mit einer solchen Verve in das jeweilige Klischee hinein, daß es von innen her platzt. Die gnadenlose Steigerung des Altbekannten setzt so eine Menge Raum für Komik frei.

Jenseits solch sicherer Nummern, die vom stets unerbittlich amüsierwilligen Publikum des Tivoli mit Freudenschreien quittiert werden, mimt Jango Edwards den Entertainer. Das wirkt dann wie eine Mischung aus Graucho Marx und einem durchgeknallten Bademeister, der allen mal zeigen will, wo der Hammer hängt. Er wirft mit Konfetti, radebricht auf englisch, französisch und deutsch. Manchmal plätschert das Geschehen dabei ein wenig zu vorhersehbar dahin,und so ist schwer zu entscheiden, ob da gute Witze schlecht oder schlechte Witze gut erzählt werden. Aber im entscheidenden Moment gelingt es Jango stets mühelos, eine Albernheit mit einer zweiten Albernheit noch zu unterbieten und noch eine dritte draufzusetzen. Das Feuerwerk transzendiert dann zu einem wirklichen Kunststück.

„I'm an asshole“, hatte Jango gleich zu Beginn der Show gesagt. Schon da wollte man ihm widersprechen. Am Schluß der Show schließlich, wenn er in seiner berühmtesten Pose auf der Bühne steht: nackt, x-beinig, mit zwischen den Schenkeln eingeklemmtem Genital, hat man das Gefühl, diesen hart arbeitenden Hohepriester des schlechten Geschmacks einfach gernhaben zu müssen.

Und auch Jango lächelt in dieser peinlichen Lage sein liebstes Lächeln. Irgendwie will einem der Gedanke nicht aus dem Kopf gehen, die Clown-Legende habe sich die ganze Zeit über selbst parodiert.

Dirk Knipphals

bis 24. 10., Schmidts Tivoli

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