: Brodeln an Unis und Schulen
■ Tausende von Schülern und Studenten demonstrierten in Bonn in der entlegenen Rheinaue / „Aufbruch statt Abbruch - Chancengleichheit und Bildung für alle“ / Professorenschaft signalisiert Unterstützung
Bonn (taz) - Gegen Abi–Deform, Streichungen im Bildungshaushalt, Abwertung des Fachhochschulstudiums und für eine radikale Bildungsreform demonstrierten gestern Schüler und Studenten in Bonn. Unter dem Motto: „Aufbruch statt Abbruch - Chancengleichheit und Bildung für alle“ waren zehntausende dem Ruf vom Vorstand Deutscher Studentenschaften (VDS), der Bundesschülervertretung und der GEW gefolgt und in drei Marschsäulen zum entlegenen Kundgebungsort in der Bonner Rheinaue gezogen. Die zentrale Hofgartenwiese in der Bonner Innenstadt war den Demonstranten durch den Rektor der Universität an diesem ersten verkaufsoffenen Samstag verweigert worden. Mit großem Erfolg hatten die Fachhochschulstudenten mobilisiert. Sie prägten das Bild der Demonstration mit ihren Forderungen nach Erhöhung der Studiendauer auf acht Semester und einer EG–weiten Anerkennung ihres Diploms. Daß sie sich dabei einer breiten Unterstützung der Professorenschaft sicher sein können, machte der Redebeitrag des Kölner Rektors Metzner auf der Auftaktkundgebung deutlich. Die von allen RednerInnen auf der Kundgebung beschworene Aufbruchstimmung bei den Studenten wollte indes im kalten Nieselregen nicht so recht aufkom men. Das mag auch an dem etwas diffusen Motto der Demonstration gelegen haben, für die es „den alles entscheidenden Anlaß nicht gibt“, wie Norbert Kunz (VDS) zugab. Es ginge vielmehr darum, „ein Signal zu setzen, für eine neue Bildungsbewegung, für eine radikale Erneuerung der Hochschulen, für eine Bildungsreform“. Die Reden der Abschlußkundgebung machten diesen globalen Anspruch deutlich. SprecherInnen des VDS, der BSV, der Friedensbewegung, Gerd Köhler (GEW) und Ilse Brusis (DGB– Bundesvorstand) forderten Maßnahmen gegen die Lehrerarbeitslosigkeit, eine Abkehr von markt– und rüstungspolitischen Bildungsinhalten, Gleichstellungsstellen und mehr Chancengleichheit für Frauen, eine Wiedereinführung des Schülerbafögs, Ausweitung und Erhöhung der Ausbildungsförderung und Mitspracherecht in der Kultusministerkonferenz. In der Vielzahl der Themen und Forderungen drohten die brennenden aktuellen Probleme unterzugehen. Einmütig wurde die gewaltsame Polizeiaktion gegen die besetzte Göttinger Schule in der vergangenen Woche verurteilt, und die RednerInnen der BSV riefen zu bundesweiten, phantasievollen Aktionen gegen die Abi– Deform parallel zur KMK am 3./4.Dezember in Karlsruhe auf. Den Ausbruch einer neuen Stu dentenbewegung wie derzeit in Österreich hat Bonn an diesem Samstag nicht erlebt, wohl aber ist deutlich geworden, daß es an den Schulen und Hochschulen begonnen hat zu brodeln. Was an kämpferischer Spontaneität bei der zentralen Abschlußkundgebung bei den Reden der Funktionäre fehlte, wurde ansatzweise bei den Auftaktkundgebungen spürbar, die von den Vertretern der betroffenen Fachbereiche und Schülervertretungen bestritten worden.
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