piwik no script img

Briefe an die RAF belegen: Regierung will verhandeln

■ Mit knappem Dementi versucht das Innenministerium, die Verhandlungsinitiative umzumünzen/ Angebote angeblich nur Teil des Aussteigerprogramms/ taz veröffentlicht Kontaktbriefe der Vermittler

Berlin (taz) — Die Bundesregierung steht nicht zu ihren Verhandlungsangeboten an die RAF. Das Innenministerium weigert sich, die eigenen weitreichenden Bemühungen zur politischen Lösung des Konflikts mit der RAF auch öffentlich zu vertreten. Sechs Stunden benötigte die Ministeriumsspitze, ehe sie mit einem lauen Elf- Zeilen-Dementi — „blühende Phantasie“ — zu kontern versuchte. Danach handelt es sich bei den Sondierungsanstrengungen im Nahen Osten, die bereits seit dem letzten Hungerstreik der RAF-Gefangenen im Frühjahr 1989 anliefen, lediglich um die Fortsetzung des seit 1987 bekannten sogenannten „Aussteigerprogramms“ des Verfassungsschutzes. Damals war es darum gegangen, ausgestiegenen oder aussteigewilligen RAF-Mitgliedern eine Rückkehr in die Bundesrepublik zu ermöglichen.

Tatsächlich belegen zwei der taz vorliegende Kontaktschreiben an die RAF-Aktiven aus der Zeit vor und nach den Anschlägen auf Herrhausen und Neusel, daß es sich um ein Verhandlungsangebot an die RAF als intakte Gruppe handelt. Daraus geht auch die aktive Beteiligung der Ministeriumsspitze (Staatssekretär Neusel) an den Verhandlungsversuchen zweifelsfrei hervor. Darüber hinaus wird der RAF in einem Schreiben vom 22. August 1990 ein mehrstufiges Verfahren vorgeschlagen, das ausdrücklich in Verhandlungen münden soll. Ein Beteiligter erklärte gestern den qualitativen Unterschied zwischen dem Aussteigerprogramm und den jetzt bekannt gewordenen Verhandlungsbemühungen gegenüber der taz so: „Wir haben seit dem Hungerstreik die Kontaktversuche nach Aussteigern nicht aus den Augen verloren, aber gleichzeitig und ganz bewußt die Gruppe gesucht.“ SEITE 4

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen