: Brett vorm Kopf
Zu Walter Mompers nicht vorhandener Ausländerpolitik ■ K O M M E N T A R
BerlinerInnen aller Länder, vertragt Euch - Der hilflose Appell auf U-Bahn-Plakaten ist bislang die einzig sichtbare Antwort des Senats auf die zunehmende Ausländerfeindlichkeit in Berlin. Was diese Stadt wirklich braucht, ist eine Ausländerbeauftragte, die mehr ist als der Alibi-Appendix eines Fachressorts. Sie muß wirkliche Kompetenzen haben angefangen vom Vetorecht bei Abschiebungen über ein Mitspracherecht bei Gesetzen und Ausführungsvorschriften bis hin zur Auskunftspflicht anderer Behörden. In Ost-Berlin kann die gerade eingeführte Ausländerbeauftragte auf solche Kompetenzen verweisen, nur fehlen ihr die MitarbeiterInnen und die finanziellen Mittel, um die Mammutaufgaben anzupacken, die ihr bevorstehen. In West-Berlin ist ihre Kollegin etwas besser ausgestattet, nur hat sie politisch nichts zu melden, zudem gehört sie einer Partei an, die zur Ausländerpolitik des regierenden Senats in Opposition steht.
Was diese Stadt braucht, ist eine Antirassismus- und Minderheitenpolitik, die diesen Namen verdient. Das fängt bei mehrsprachigen Verkehrsschildern an und hört beim Antidiskriminierungsgesetz auf. Und wenn man selbst vor lauter Vereinigung keine Zeit hat, solche Konzepte zu entwickeln, dann holt man sich Fachleute zusammen und läßt die nachdenken und Vorschläge machen. Wer hindert diesen Senat eigentlich daran, ein Symposium zu Minderheitenpolitik in Ost und West einzuberufen - außer das eigene Brett vorm Kopf? Patentrezepte erwartet ja niemand, aber die öffentliche Debatte muß endlich beginnen. Die würde auch den außerparlamentarischen ImmigrantInnen - und Flüchtlingsgruppen gut anstehen. Abwarten und auf den Senat motzen hilft vielleicht bei der Bewahrung der politischen Identität, den ImmigrantInnen nützt es überhaupt nichts.
Andrea Böhm
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