: Bremerhavens Psychiatrie braucht neue Finanzierung
■ 4,5 neue Stellen für Sozialpsychiatrie / „Jetzt ist das Land gefordert“
„Wir sind uns der politischen Verantwortung für psychisch Kranke, Abhängigkeitskranke und Mehrfachbehinderte durchaus bewußt“, beteuert Hermann Renken, Gesundheitsdezernent in Bremerhaven, mit Blick auf ein Memorandum der „Trägerinitiative zur Bremerhavener Psychiatrieversorgung“ (TiPs). Die hatte für Bremerhaven vor allem einen Psychiatrieplan gefordert, die „die berechtigten Bedürfnisse der Bevölkerung nach einer bedarfsgerechten Vielfalt der Dienste aufnimmt.“
Die in TiPs zusammengeschlossenen Wohlfahrtsverbände legten mit ihrem Memorandum auch eine Bestandsaufnahme vor: Hochgerechnet auf die 130.999 EinwohnerInnen (laut Volkszählung) leben nach Einschätzung von Experten zwischen 13.000 und 16.000 Menschen in Bremerhaven, die jährlich unter „psychischen Störungen mit Krankheiswert“ leiden. Und weiter rechnen sie hoch: Bei 0,02-0,05 der Bevölkerung, die alljährlich neu an Schizophrenie erkranken, wären dies in Bremerhaven 30-60 Fälle. Manisch-depressiv könnten demzufolge 1.700 erwachsene BremerhavenerInnen sein, außerdem etwa 2.600 mit sog. „organisch bedingten“ psychischen Erkrankungen, hinzu kommen Alters
verwirrte, sowie rund 1.200 behandlungsbedürftige Kinder und Jugendliche, nicht gerechnet die Alkohol - oder Medikamentenabhängigen.
Seit Auflösung vom Kloster Blankenburg, der einstigen langzeitpsychologischen Klinik, haben sich mit zunehmender Regionalisierung der psychiatrischen Versorgung in Bremen und Bremerhaven alternative Versorgungsstrukturen entwickelt, lobt Stadtrat Renken. Allerdings mit einem Knackpunkt: Zwischen Land Bremen und Stadt Bremerhaven sind Finanzierungsfragen neu zu stellen. Heimunterbringung von Langzeit- und Schwerstkranken, nach Pflegesätzen wie akut Kranke abgerechnet, muß aus dem Landeshaushalt finanziert werden. Die Unterbringung in Betreuten Wohngruppen dagegen ist Sache der Stadtkassen. Außerdem erschwerend für Finanzplaner: Betreute Wohngruppen erfordern den kostenintensiven Personalschlüssel von 1:2,5 Heimunterbringung dagegen nur 1:6 bzw. 1:8.
Bremerhaven hat rund 60 Plätze in betreuten Wohngruppen. Rund 2,5 Millionen Mark kostet dies pro Jahr. Bei optimaler Versorgung und der erforderlichen Ausweitung des Programms würde dies allerdings 4,5 Millio
nen kosten. „Die Psychiatrie versorgung ist in einigen Teilen quantitativ und personell -qualitativ erweiterungs- und verbesserungsbedürftig“, betont der Bremerhavener Gesundheitsdezernent. Hier seien die Wohlfahrtsverbände (im qualitativen Bereich), aber auch das Land gefordert, das den Personalschlüssel noch nicht erhöht hat.
Einen kleinen Fortschritt hat Renken jedoch zur Lage der Psychiatrie in Bremerhaven zu vermelden: Für den Sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes, der dafür zuständig ist, die Patienten ihrer persönlichen Situation angemessen unterzubringen, hat die Gesundheitsdeputation zum Oktober 4,5 neue Stellen bewilligt - zu Ausbau und Koordinierung der „flankierenden Betreuungs- und Beratungsangebote“ freier Träger, so der Stadtrat. Zu den bestehenden Werkstätten, Wohnheimen und Kindergärten soll zusätzlich ein Tageszentrum und ein Wohnheim in der Stormstraße errichtet werden. Zusätzlich zu den bestehenden Elbe-Weser-Werkstätten für psychisch Kranke sollen weitere 32 Kleinwerkstattplätze eingerichtet werden. Zu den 2 Mio. Gesamtkosten allein dieses Projektes bewilligte die Deputation 300.000 Mark Zuschuß. r
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