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Lesebrief(e)Bremer Verhältnisse

■ Betr. Unterschlagung im "Zentrum für Europäische Rechtspolitik" (ZERP), Prozeßbericht v. 16.4.

Gestatten Sie uns als „ZERP“-Direktoren der Jahre 1983 bis 1989 einige Bemerkungen zu Ihrem Bericht:

1. Im Strafverfahren hieß es, weder Wirtschaftsplan noch Jahresabschluß seien je vorgelegt worden. Das ist falsch. Beides ist jedes Jahr zum vorgesehenen Termin vorgelegt worden. Unser Fehler lag vielmehr darin, daß wir dem vom Verwaltungsleiter erstellten Jahresabschluß vertrauten. Man bedenke aber auch die Schwierigkeiten einer Kontrolle bei einer Finanzierungsweise, die einen jährlichen Grundstock von ca. 1 Mio. DM Landesmitteln mit Drittmitteln aus jahresübergreifenden Projekten kombiniert. Da ist es möglich, einen unterschlagenen Fehlbetrag als heute noch vorhanden zu deklarieren, wenn er im nächsten Jahr erst benötigt wird. Das geht natürlich nur begrenzt, weil später die mangelnde Deckung spürbar wird, und so mußte die Sache eines Tages auffliegen. Wir wollen damit aber nichts beschönigen. Natürlich hätten wir für den Bankverkehr eine Gegenzeichnungspflicht und für die Jahresabschlüsse eine Wirtschaftsprüfung veranlassen müssen.

2. Das Gericht vermißte eine Kosten-Nutzen-Analyse. Eine solche ist bei wissenschaftlichen Instituten weder üblich noch möglich. Man kann zwar die Kosten angeben, aber wie soll man den Nutzen zum Beispiel einer Studie zu einem europäischen Schnellinformationssystem über gefährliche Produkte quantifizieren? Der Nutzen des ZERP läßt sich nur qualitativ bestimmen, insbesondere an Hand der wissenschaftlichen Arbeiten und Beratungstätigkeiten.

3. Zum Strafmaß: Es entsteht der Eindruck, daß es für den Verurteilten bei den DM 3.000.-Geldbuße sein bewenden hat. Das ist nicht richtig. Das ZERP hat einen vollstreckbaren Titel in Höhe von zunächst 250.000 Mark erwirkt, aus dem es vorgehen wird, sollte eine Vollstreckung Erfolg versprechen.

Prof. Dres. V. Gessner, N. Reich, G. Winter

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