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Bremer Rüstungsindustrie im Golfkrieg

■ Ersatzteil-Aufträge für mindestens zwei Unternehmen/ Lürssen-Werft setzt dagegen auf Fischkutter für den Iran

Der Kriegsausbruch am Golf belebt in Bremen das Rüstungsgeschäft. Die Bremer Firmen „Bruker-Franzen“ (Uni-Technologiepark) und „Weidelt GmbH“ (Hemelingen) freuen sich über einen Bundeswehr-Auftrag für „Ersatzteil-Erstbedarf“. Der Hintergrund: Die Bundeswehr hatte der US-Army erst 60 und dann noch einmal 20 Spürpanzer für das Kriegführen am Golf überlassen. Diese Spürpanzer namens „Fuchs“ aus dem Hause Thyssen- Hentschel wurden von den beiden Bremer Firmen mit „Spürgeräten“ und „Massenspektrometern“ ausgestattet, damit die Panzerfahrer chemische Kampfstoffe analysieren können. Juniorchef Rolf A. Weidelt über den akuten Ersatzteilbedarf im Kriegsgebiet: „Die Spürpanzer werden von den Amerikanern da unten gefahren. Dabei gehen die relativ filigranen Spürgeräte kaputt.“ Für die Weidelt GmbH beläuft sich der Auftrag für das „Ersatzteil-Erstpaket“ auf 350.000 Mark. Für „Bruker-Franzen“, das die High- Tech-Analysegeräte herstellt, sei der Auftrag, so Rolf A. Weidelt, „wertmäßig wesentlich höher“ ausgefallen.

Sind bei der „Weidelt GmbH“ weitere Golf-Geschäfte zu erwarten? Rolf A. Weidelt zur taz: „Ich will's eigentlich nicht hoffen. Aber es gäbe einen Horizont dafür.“ Denn wenn die US-Army nach ihren guten Erfahrungen die Gerätschaften der deutschen Hersteller importiere, bestünde die Möglichkeit, daß Weidelt in Kooperation mit Bruker-Franzen auch für die US-Army Simulatoren bauen könne. Ein solcher Simulator kostet zwischen 300.000 und 1,5 Millionen Mark.

Umfragen bei anderen bremischen Rüstungsbetrieben werden mit „Fehlanzeige“ beschieden. Udo Brandes, Pressesprecher von „Krupp Atlas Elektronik“: „Das Thema Golf wird sich bei uns nicht auswirken. Mit der Luftwaffe haben wir nichts zu tun, und von der Marineseite gibt's nichts da unten.“ Höchstens wenn der Landkrieg beginne, könne es Verbindungen geben: „Auf der Heeresseite sind wir im Kampfpanzer drin.“ Er betont, sein Unternehmen setze weiter auf Rüstungskonversion: „Unser Wehrtechnik-Bereich muß umsteuern, und das tut er auch. Wir gehen davon aus, daß der Bonner Verteidigungshaushalt gleichbleibt oder erheblich reduziert wird.“ Gleichzeitig gelte es natürlich, die politischen Vorgänge in der Sowjetunion im Auge zu behalten.

Lürssen-Werft „belämmert“

Auch der Chef der „Lürssen- Werft“ zeigt sich vom Golfkrieg relativ unberührt. Friedrich Lürssen: „Wir haben keine Vor- und keine Nachteile. Nur daß wir ununterbrochen von den Medien belämmert werden und Schüler vor dem Tor hatten.“ Von den Patrouillenbooten, die seine Werft an Kuwait geliefert und die von der irakischen Armee in Besitz genommen wurden, hat der Firmenchef nichts mehr gehört. Auch er setzt nach Absatzschwierigkeiten im Rüstungsgeschäft auf Konversion, genauer gesagt auf Fisch: Am Freitag war eine iranische Delagation, mit dem Industrieminister an der Spitze, bei ihm in Vegesack. Verhandelt wurde über einen Großauftrag für 100 Fischereifahrzeuge im Gesamtvolumen von einer Milliarde Mark. Die Lürssen-Werft spekuliert auf ein Drittel dieser Summe und kooperiert dabei mit der „Volkswerft Stralsund“.

Friedrich Lürssen salopp zur taz: „Wir können bisher nur Kriegsschiffe und Motoryachten bauen. Das Fischdampfer-Bauen müssen wir noch lernen. Aber dafür haben wir ja einen fachkundigen Partner.“ Frühestens Ende des Jahres rechne er mit einem Vertragsabschluß.

Der grüne Fraktionssprecher Manfred Schramm kommentierte diese „Iran-Connection“ mit den Sätzen: „Wenn sich der Großauftrag bestätigen sollte, ist dies ein herausragendes Ereignis für die Umstellung der Lürssen-Werft auf eine zivile Produktion. In diesem Fall kann sich die Lürssen- Iran-Connection endlich einmal friedenssichernd auswirken — im Gegensatz zu den sonst eher kriegswaffenbezogenen Geschäftsbeziehungen der Firma zum Nahen Osten.“

Vom Trudeln der Rüstungsindustrie in den Vor-Golfkriegs- Zeiten ist ein Bremer Betrieb besonders betroffen: Die Firma „Deutsche System-Technik“. Der Philips-Konzern hatte das Werk aufgrund seines hohen Wehrtechnik-Anteils im Frühjahr 1990 an zwei Manager abgestoßen. Seit September 1990 sind in den abgestoßenen Produktionsstätten Kiel und Bremen siebzig Stellen abgebaut worden. Mit Lohnaufträgen werden die Löcher in der Produktion gefüllt. Die „Deutsche System-Technik“ sitzt deshalb mit einem Vertreter in der „Konversionsrunde“. In diesem erlauchten Kreis debattieren Vertreter von sechs zumeist konkurrierenden Bremer Rüstungsfirmen (Krupp Atlas, Deutsche System-Technik, Systemtechnik Nord, Bremer Vulkan, Motorenwerk Bremerhaven und Lürssen-Werft) darüber, wie sie, so ein Teilnehmer, „sehr schnell interessante, zukunftsweisende Projekte im Umweltbereich auf die Beine stellen und Forschungs- und Entwicklungsgelder aus Bonn oder Brüssel kriegen können“. Den Firmenvertretern schwebt auch in Zeiten des Golfkrieges noch vor, Bremen zu einer „europäischen Modellregion für Rüstungskonversion“ zu machen.

Im öffentlichen bremischen Dienst tagt derweil weiter eine BeamtInnen-Arbeitsgruppe, die der Senat eingerichtet hatte, um den Konversionsbedarf der bremischen Unternehmen zu ermitteln. Obwohl der Abschlußbericht für November angekündigt war, liegt er auch im Februar noch nicht vor.

Staatsgeld für Konversion?

Strittig ist noch die Forderung nach einem Konversionsfonds, der Rüstungsunternehmen beim Umstellen auf zivile Fertigung unter die Arme greifen soll. Arbeitsgruppen-Chef Elsner: „Der Finanzsenator zeigt keine Neigung, einen Konversionsfonds mit bremischen Mitteln zu speisen.“ In der Diskussion ist stattdessen, in der dritten Auflage des „Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramms“ (WAP) mit dem bisherigen „Gießkannenprinzip“ Schluß zu machen und die Vergabe von Subventionen an Kriterien zu knüpfen wie etwa: Ökologische Produktion, Frauenförderung, Abkehr von der Rüstungsproduktion. Der SPD-Unterbezirk-Ost hatte bereits im Juli gefordert, das „WAP“ für den „sozialen und ökologischen Umbau in Bremen“ zu nutzen — entgegen der Meinung einiger Genossen, die der Rüstungsindustrie nicht auch noch fette Subventionen hinterherwerfen wollen.

Die Gewerkschaft IG-Metall steht, wie auch die DAG, hinter einem Konversionsfonds. IG- Metall Gewerkschaftssekretär Manfred Muster: „Wir haben in Bremen ein Unternehmen, das hat vielleicht noch 24 Monate Zeit. So bitter das ist, Leuten Geld nachzuwerfen, die jahrzehntelang mit Rüstung gut Geld gemacht haben: Wir müssen unternehmerische Konversionsbemühungen stützen.“ Muster fordert jedoch für das Verteilen der Gelder einen „Konversionsbeirat“, Muster: „Wir wollen eine gesellschaftliche Kontrolle über diesen Konversionsfonds für Rüstungsbetriebe. Was passiert, wenn die Kontrolle fehlt, sieht man jeden Tag im Fernsehen — in der Kriegsberichterstattung.“

Barbara Debus

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