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Bremer CDU verlor nach allen Seiten

■ Infas: Verluste der CDU am massivsten in den Villenvierteln / Verluste der SPD zugunsten der Grünen

Bonn (dpa) - Trotz massiver Probleme auf dem Arbeitsmarkt und trotz des hohen Schuldenberges weist die seit Kriegsende regierende SPD in Bremen eine beachtliche Stabilität auf. Der gegen die Sozialdemokratie laufende Trend in den Großstädten ist scheinbar aufgehalten. Hinter diesem äußeren Eindruck stecken allerdings komplexere Vorgänge. Das Bremer Wahlergebnis ist durch Verschiebungen von den Großen zu den Kleinen gekennzeichnet. SPD und CDU zusammen können jetzt nur noch knapp 74 Prozent der Wähler an sich binden. Grüne und FDP haben ihre Stimmenzahlen in etwa verdoppelt, die Liberalen sogar ihren Zweitstimmenanteil der Bundestagswahl übertroffen. Während Grüne und FDP in allen Stadtteilen nur Gewinne, die CDU überall nur Verluste zu verzeichnen hatten, gab es für die SPD positive und negative Trends. Ihre absolute Mehrheit hat sie dadurch halten können, daß sie von den CDU– Verlusten profitierte und die Ab wanderungen zu den Grünen und zur FDP teilweise kompensieren konnte. Die Wanderungsbilanz für das Land Bremen weist für die SPD im Saldo Verluste gegenüber der FDP (rund 10.000 Stimmen), den Grünen (rund 8.000 Stimmen) und den übrigen Parteien (rund 2.000 Stimmen) auf. Dem stehen Zugewinne von der CDU (im Saldo 4.000) sowie bei den Erstwählern gegenüber. Das spektakulärste Ergebnis der Doppelwahl ist der dramatische Verlust der CDU. Sie verfügt heute noch nicht einmal über halb so viel Stimmen wie die SPD, und ist kaum stärker als FDP und Grüne zusammen. Fast ein Drittel ihrer Stimmanteile von 1983 ging verloren, und zwar nach allen Seiten: zur SPD, FDP, zu den Grünen, den rechten Randgruppen und vor allem den Nichtwählern. Von keiner Seite hat sie etwas gewonnen. Am massivsten war der Stimmenabbau in den vornehmen Villenvierteln im Bremer Osten, wo die CDU von 50 auf 32 Prozent sackte und die FDP sich von neun auf 21 Prozent verbessern konnte. Die SPD hat ihre Anhänger in ihren Hochburgen, in den Arbeitervierteln von Bremen–West, aber auch in den Großsiedlungen der Neuen Heimat stabilisieren und mobilisieren können. In den Altbauquartieren der inneren Stadt dagegen gab es kräftige Verluste der SPD an die Grünen. Die baulichen Strukturen wirken prägender als die beruflichen Zuordnungen. In der östlichen Vorstadt und in Bremen–Mitte, mit den Ortsteilen Ostertor und Steintor, verloren die Sozialdemokraten zwischen ein und zwei Punkten, die Grünen kletterten auf mehr als 20 Prozent. Im Stadtteil Vahr, in den Neubausiedlungen, gab es dagegen Zugewinne der SPD und einen Anteil von fast 57 Prozent, bei mageren 6,2 Prozent für die Grünen. Das Thema „Neue Heimat“ gab hier offenbar am Schluß noch spürbaren Antrieb. In Bremerhaven liegt das Ergebnis der SPD zum ersten Mal um etwa drei Prozentpunkte unter dem für die Hansestadt Bremen. Die rechten Randgruppen sind deutlich stärker als in Bremen. Die SPD hat in Bremerhaven vier Prozentpunkte eingebüßt, die CDU hat sich etwas besser gehalten als in Bremen (–8,7 Punkte), FDP und Grüne weisen ähnliche Trends wie in Bremen auf. Die eigentliche politische Sensation ist das gute Abschneiden der rechtsradikalen Splittergruppen, allen voran die Liste D (DVU), die in Bremerhaven 5,4 Prozent der Stimmen und - infolge des besonderen Wahlgesetzes - damit ein Mandat in der Bremer Bürgerschaft gewinnen konnte. Zusammen mit den 1,6 Prozent der Republikaner hat der rechte Flügel hier sieben Prozent zu verzeichnen, und zwar gleichmäßig über das ganze Stadtgebiet; in Bremen bringen es die beiden Rechtsausleger auf nur vier Prozent. Die DVV hat nicht nur Wähler im bürgerlichen Lager an sich ziehen können, sondern auch der SPD konservative Anhänger abspenstig gemacht.

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