piwik no script img

Bremens „Sicherheit“ anfechtbar

■ Vulkan: Wellensiek hält Verpfändung der STN-Anteile zugunsten Bremens für anfechtbar

Über 1,2 Milliarden belaufen sich die aktuell offenen Bürgschaften und Kredite, mit denen der Vulkan-Verbund beim Land Bremen in der Kreide steht. 600 Millionen von der Summe sei das echte Risiko des Landes, bestätigte Finanzsenator Ulrich Nölle vor einigen Wochen. Der grüne Ralf Fücks hatte bohrend danach gefragt, wie teuer dem Land die Hilfen für den Vulkan kurz vor dem Konkurs kommen würden, und auch diese Summe geschätzt.

Wenn „nur“ die Hälfte der jüngsten Vulkan-Stützaktionen im Konkurs verloren sind und fällig werden, dann liegt das unter anderem daran, daß allein 290 Millionen der Vulkan-Schuld durch eine Verpfändung von Anteilen von der Rüstungselektronik-Firma STN Atlas gesichert sind. Aber hat diese Ver- pfändung rechtlich Bestand?

Im Konkursrecht sind solche Verpfändungen unter zwei Gesichtspunkten anfechtbar: Sie sind – wie Erbschleicherei – nichtig, wenn praktisch kurz vor Zahlungsunfähigkeit ein Gläubiger die anderen übervorteilen will. Und Ver- pfändungen sind nichtig, wenn sie nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Kredit bzw. der Bürgschaft verbindlich vereinbart wurden.

Im Falle der STN-Verpfändung an das Land Bremen liegen beide Anfechtungsgründe auf der Hand: Im Dezember, als die Verpfändung vereinbart wurde, warteten einige Zulieferberbetriebe schon vergeblich auf termingerechte Zahlung. In dem Protokoll der Bürgschaftsausschüsse, die über die Verpfändung beraten haben, erklärte Wirtschafts staatsrat Frank Haller ausdrücklich, es gehe um Liquiditätshilfen zur Vermeidung eines Konkurses.

Auch der zweite juristische Anfechtungsgrund liegt auf der Hand: Wenn durch die Verpfändung Bürgschaften oder Kredite, die früher geleistet worden sind, rückwirkend abgesichert werden sollen, dann nennt das Konkursrecht das eine „inkongruente Abdeckung“, und die ist nichtig.

Die Schieflage der Verpfändung von Anteilen der Vulkan-Tochter STN Atlas zugunsten des Landes Bremen ist bisher nur hinter vorgehaltener Hand thematisiert worden. Nur ganz intern und vertraulich hat Konkursverwalter Jobst Wellensiek unter dem Datum des 7. Juni den Gläubigern zu erkennen gegeben, was er von den Verpfändungen an das Land und die landeseigene Hibeg hält: nichts. Bei der Aufstellung der Vulkan-Vermögenswerte formuliert Wellensiek in dem 52seitigen Bericht an die Gläubiger noch galant, das Bankenkonsortium unter Führung der Commerzbank habe Sicherungsrechte über 200 Millionen. „Weitere Verpflichtungen gegenüber der Hibeg“ und dem Land Bremen würden bestehen, fügt Wellensiek an – es fällt an der Stelle nur auf, daß Wellensiek den Betrag nicht nennt. Findet der Konkursverwalter diese Summe für seine Rechnung so unwichtig?

Zehn Seiten weiter in dem vertraulichen Papier kommt Wellensiek dann wieder auf die Sache zurück unter der Frage: Wieviel ließe sich beim Verkauf von STN Atlas für die Konkursmasse erlösen? Die verpfändeten Summen sind abzuziehen, klar. Der Erlös aus dem STN-Verkauf „erhöht sich“, schreibt Wellensiek dann weiter, „falls Anfechtungsmöglichkeiten bestehen sollten. Dieser Rechtsfrage wird nachzugehen sein.“

Für außenstehende Betrachter ist das ein hinreichend unverfänglicher Satz. Aber die Gläubiger haben vestanden: Was hier gemeint ist, sind die vorn im Bericht nicht berechneten, aber erbrachten 290 Millionen STN-Verpfändung an das Land Bremen.

Aus Senatskreisen verlautet, daß das Land Bremen – vertreten im Gläubiger-Beirat – auf die Andeutung reagiert hat und in Verhandlungen eingetreten ist, um den Konkursverwalter dazu zu bewegen, auf die Anfechtung dieser Verpfändung zu verzichten.

Das setzt voraus, daß Bremens Vertreter davon ausgehen, daß sie in einem juristischen Streit gegenüber dem Konkursverwalter keine große Aussicht auf Erfolg hätten.

K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen