: Bremens Häfen verlieren Bedeutung
Hafensenator und BLG-Chef zeigen trotzdem Optimismus: 3,1 Prozent Umschlagssteigerung im Jahr 1988 auf 30,9 Mio. Tonnen ■ Konkurrenz-Häfen Rotterdam, Antwerpen und Hamburg
expandieren schneller / Bremer Hafen schafft Öko-Probleme
„Bremer Häfen olympisch: Im zweiten Versuch über die Mauer“, überschreibt der Hafensenator seine vorläufige Jahresbilanz für 1988. Lag die Um
schlagszahl aller bremischen Häfen im vergangenen Jahr mit 29,98 Mio. Tonnen noch knapp unter der 30-Mio.-Grenze, wird in diesem Jahr mit 30,9 Mio. Ton
nen Umschlag gerechnet, 19,4 Mio. davon im beschäftigungsintensiveren Bereich des Stückguts. Obwohl Bremerhaven die alte Hansestadt im Binnenland bereits seit Mitte der 70er Jahre im Wert des Hafenumschlags übertrifft, konnte Bremen seinen Vorsprung im Mengenbereich 1988 etwas vergrößern: 5,9 Prozent Steigerung gegenüber einem Gleichstand in Bremerhaven. Insgesamt erhöhte sich das Gewicht aller im Land Bremen umgeschlagenen Güter um 3,1 Prozent.
Doch diese Zahlen, die Hafensenator und Bremer Lagerhaus Gesellschaft (BLG) gestern gemeinsam stolz präsentierten, täuschen. Denn trotz des steigenden Umschlags sinkt der Anteil Bremens am gesamten nordeuropäischen Hafengeschäft drastisch. Die „Westhäfen“ Rotterdam und Antwerpen konnten in diesem Jahr ihren Umschlag um rund sieben Prozent steigern. Genauere Zahlen sind in Bremen nicht bekannt, da die zuständigen MitarbeiterInnen des statistischen Landesamtes noch über den Fragebögen der Volkszählung brüten.
Nach wie vor hängt in Bremen jeder vierte Arbeitsplatz direkt oder indirekt mit dem Hafen zusammen, in Bremerhaven sogar jeder dritte. Denn zu den 4.000 Angestellten der BLG kommen weitere Hafenbetriebe, Speditionen, Werften, die Binnenschiff- fahrt und Reparaturbetriebe. Zwar hat sich nach den großen Einbrüchen in den 70er Jahren die Beschäftigtenzahl im Hafen inzwischen stabilisiert. Allerdings mußte im Bremer Haushaltsansatz für 1989 die Gewinnabführung der BLG gerade erst nach unten korrigiert werden. BLG
Geschäftsführer Rolf Fastenau mochte denn auch gestern bei der Vorstellung der Umschlagszahlen seines Unternehmens lieber keine genaue Prognose wagen: „Das wirtschaftliche Ergebnis wird sich erst in der Bilanz zeigen“, sagte er.
In den kommenden Jahren wird die Konkurenz zwischen den Nordseehäfen weiter zunehmen. In Antwerpen wird gerade ein neues Container-Terminal gebaut, das die Abfertigung riesiger Containerschiffe enorm beschleunigen wird.
Bremerhavens Umschlag ist zu großen Teilen vom Nachschub für die europäische US-Army abhängig. Ein Rotterdamer Dumping-Angebot ans Pentagon
konnte von Bürgermeister Scherf nur mit großer Mühe gerade noch abgewendet werden.
Die Bremer Häfen sind schon jetzt vom „Round-the-world -Verkehr“ mit „Jumbo„-Schiffen, auf denen über 4.000 große Container Platz finden, abgekoppelt, weil die Unterweser nur bei Flut tief genug ist. Doch bei Tageskosten von 100.000 Dollar für diese Riesen-Schiffe leistet sich kein Reeder einige Stunden Wartezeit bis zum Ende der Ebbe.
„Die ständigen Fahrwasservertiefungen haben dazu geführt, daß das Niedrigwasser in Bremen heute tiefer ausfällt“, hatte Hafensenator Konrad Kunick 1985 schon als SPD -Fraktionsvorsitzender eine weitere Bedrohung
der Bremer Häfen benannt und auch auf eine ökologische Folge hingewiesen: „Die Unterweser wurde auf weiten Strecken in einen öden Betonkanal verwandelt, Strände, Dünen, Uferbewuchs verschwanden unter Steinschüttungen, Asphalt und hinter Spundwänden.“
SPD-Fraktionschef Kunick damals: „Die ökologischen Schädigungen durch den Großwasserbau sind unübersehbar und zwingen dazu, das Verhältnis zwischen Häfenpolitik und Ökologie neu zu überdenken“. Doch als Hafensenator setzt Kunick heute wieder auf die „Zweihäfigkeit“ Bremens, wie es in seiner Presseerklärung heißt.
Dirk Asendorpf
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