: Brav verpufft
■ „Master Harold ... und die Boys“
Um Mißverständnissen vorzubeugen: Master Harold ist nicht der Tanzmeister einer Tuntenrevue. Nicht nur der Titel des Stücks, sondern auch das Plakat der Aufführung im Studio des Maxim Gorki Theaters führt in die Irre. Die grimassenhaften Gesichter einer weißen Frau und eines weißen Mann in grotesker Tanzpose haben mit dem Stück nichts zu tun. Es spielt im Südafrika der fünfziger Jahre. Sam und Willi, zwei ältere, schwarze „Houseboys“, üben an einem verregneten Nachmittag in einer leeren Kneipe für ein Tanzturnier. Dann taucht plötzlich „Master Hally“ auf, der siebzehnjährige Sohn der Kneipenbesitzerin, der mit den beiden Schwarzen befreundet ist. Ein turbulentes Gespräch über die großen Gesellschaftsreformer geht über in sentimentale Kindheitserinnerungen, und schließlich schreiben sie zu dritt einen Schulaufsatz über den geächteten Niggertanz als großes Kulturereignis. Ein Telefonanruf der Mutter unterbricht die ausgelassene Stimmung. Der gehaßte Vater, ein Krüppel und Alkoholiker, kommt aus dem Krankenhaus nach Hause zurück. Hallys Verzweiflung darüber kippt plötzlich um in blanken Rassismus. Wie sein Vater verlangt er von seinem väterlichen Freund Sam die respektheischende Anrede „Master Harold“ und spuckt ihm ins Gesicht.
Das ganze Spektrum der Gefühle zwischen ohnmächtigem Haß auf den Vater und der anhänglichen Liebe zu Sam bringt Nils Brück packend zum Ausdruck. Hilmar Baumann nimmt man dagegen den alten, weisen Sam überhaupt nicht ab. Hinzu kommt, daß der gastierende Regisseur Eckard Becker vom Potsdamer Hans-Otto-Theater es in seiner braven Inszenierung sehr ernst genommen hat mit der Werktreue. So müssen die beiden angestammten Schauspieler des Hauses, Baumann und Gottfried Richter, mit scharzen Gesichtern plötzlich einen hüftschwingenden Quickstep aufs Parkett legen. Damit sind sie hoffnungslos überfordert, der ganze Auftritt verpufft.
Fugards Stücke sind zu sozialistischen Zeiten am Maxim Gorki Theater immerhin dreimal zur Aufführung gelangt. Daß der Autor jetzt zum vierten Mal auf dem Programm steht, bedeutet aber keine Rückkehr zur eingeschliffenen realistischen Theaterpraxis. Die ganz auf die Körperlichkeit des Schauspiels bezogene Dramaturgie der Stücke rechtfertigt die Entscheidung, den an westdeutschen Bühnen vergleichsweise selten gespielten Fugard nun auch dem dortigen Publikum schmackhaft zu machen. Vielleicht hätte man in diesem Fall etwas waghalsiger den Schwarz-Weiß-Konflikt in eine Ost-West-Tragödie ummünzen sollen, aber das wäre dann eher ein Fall fürs Kabarett geworden. Matthias Schad
„Master Harold ... und die Boys“ von Athol Fugard, Regie: Eckhard Becker, Bühne: Detlef Pilz. Nächste Vorstellungen am 15. und 28.12., 20 Uhr, Maxim Gorki Studio, Hinter dem Gießhaus, Mitte.
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