: Boykott soll helfen
■ Liverpooler Hafenarbeiter fordern Bremen zu Solidaritätsstreiks auf – und stoßen auf Desorganisation
„Drake“ – dieser Name kommt Terry Southers, 51jähriger Hafenarbeiter in Liverpool und gleichzeitig Vertrauensmann der Gewerkschaft nur schwer über die Lippen. Die „Drachen“, das sind professionelle Streikbrecher, die den bereits 10 Monate lang schwelenden Streik der 500 Hafenarbeiter in Liverpool zerschlagen sollen. Terry Southers und Herbi Hollerhead sind kämpferische Malocher, die seit neun Monaten auf einer internationalen Soli-Tour durch die Welt jetten und jetzt in Bremen gelandet sind. Sie rufen die Bremer Hafenarbeiter zu solidarischen Streiks auf und stoßen auf desorganisierte Gewerkschaftler.
„Internationale Solidarität für Liverpool“, so war es gestern auf Gewerkschaftsplakaten im DGB-Haus als politische Willensbekundung zu lesen. Und der DGB hatte in einer Presseerklärung formuliert: „Auch Bremer Solidarität ist notwendig“. Im DGB-Haus hatte die ÖTV gestern zu einem Pressegespräch mit den beiden streikenden Liverpoolern eingeladen. Das einzige Problem: Von der ÖTV ließ sich kein einziger Gewerkschaftler blicken. Während der für die Hafenarbeiter zuständige ÖTV-Mensch noch im Urlaub weilt, diskutierte sein Kollege auf einer auswärtigen Bezirksversammlung. „Wir haben den Termin blöd gelegt“, gibt Ulrich Jürgens als anwesender Bremer Inspektor der internationalen Transportgewerkschaft (ITF) zu. Lediglich ein sogenanntes „Informationsgespräch“ im DGB-Haus am Nachmittag solle „Interessenten“ über die Streiklage in England infomieren. Dazu hatte die ÖTV auch eifrig Flugblätter bei den Bremer Hafenarbeitern verteilt.
Denn genau auf dieses Klientel hatten es die beiden Liverpooler abgesehen: „Vier Stunden Boykott aller Schifflinien, die auch Liverpool anfahren“, fordert Terry Southers die 3.000 Hafenarbeiter der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft zum solidarischen Arbeitskampf auf. Doch Gespräche mit dem zuständigen BLG-Betriebsräten, nein, die habe es wohl noch nicht gegeben, gibt der ITF-Inspektor Jürgens zu. Die ÖTVler müßten mehr wissen, „doch die sind ja jetzt nicht da.“ Nur an eins könne sich Jürgens vage erinnern: „Die Liverpooler sind vor ein paar Monaten schon in Bremen gewesen.“ Und in einer Sache, da wäre er sich „vielleicht“ sicher: Im Juni, da hätten die Bremer-Lagerhaus-Arbeiter schon mal ein Schiff eine ganze Schicht lang boykottiert. Welches Schiff? Keine Ahnung. Sicher sei nur, daß die Hafenarbeiter keine Repressialen fürchten mußten: „Wer begründet, daß er die Streikposten der ausländischen Kollegen nicht brechen will, der kann die Schiffsbeladung boykottieren“, so der ITF-Mann Jürgens. Mehr könne er dazu auch nicht sagen.
Die Liverpooler aber hatten an diesem Tag im DGB-Haus eine Menge zu erzählen: Vom heftigen Streikjahr 1989, als sich der Liverpooler Hafen als einziger in England nicht privatisieren lassen wollte. Von ihrem Arbeitgeber, der „Mersey Dock and Harbour Company“ (MDHC), der jetzt Leute entlassen und Tagelöhnerei einführen will – ohne Urlaubs-, Beschäftigungs-, und Krankengeldgarantie. Und daß die konservative Thatcher-Regierung in den 80er Jahren alle Gewerkschaften ausgehebelt und staatliche Betriebe zerschlagen habe. Terry und Herbi wollen den Streik nicht aufgeben – auch wenn sie jetzt mit rund 500 Mark Arbeitslosengeld pro Monat auskommen müßten. „Da leben wir ja noch auf der Insel der Seligen“, ließ DGB-Chefin Helga Ziegert wissen, während sie aufmerksam dem kämpferischen Vortrag der Liverpooler Hafenarbeiter lauschte.
Katja Ubben
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