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Boykott der Rosteimer

Gewerkschaftliche Aktionswoche gegen Billigflaggenschiffe in Hamburg. Erstes Schiff im Hafen wird bereits bestreikt  ■ Von Kai von Appen

Die Internationale Transportarbeiterföderation (ITF) und die ihr angeschlossene Hafenarbeiter- und Seeleutegewerkschaft ÖTV machen Druck auf Billigflaggen-Reeder. Drei ITF/ÖTV-Inspektorenteams schwirrten gestern Morgen im Hamburger Hafen aus, um Billigflaggenschiffe aufzupüren, zu inspizieren und notfalls für die Crews Tarifverträge abzuschließen. Andernfalls droht den Billigpötten ein Boykott durch die ÖTV-Hafenarbeiter.

Es ist die fünfte weltweite ITF-Aktionswoche. „Der Trend zur Billigflagge hält an“, klagt Seeleute-Sprecher Dieter Benze. Für diese bedeutet dies häufig eine Heuer in Höhe von 300 Dollar oder sogar „bed und breakfast“ – und für die Umwelt wegen der mangelnden Sicherheitsbestimmungen ein erhöhtes Risiko. Benze: „Billigflagge ist der Fahrerlaubnisschein für Rosteimer und unsichere Schiffe.“

Nach Auffassung des ÖTV-Schiffahrtsexperten könne diesem Trend nur entgegengewirkt werden, wenn eine „Haftung für Flaggenstaaten“ eingeführt wird. Im Klartext: Verunglückt ein „Rosteimer“ und löst eine Umweltkatastrophe aus – wie die Haverie der „Pallas“ vor Amrum oder der Untergang des Tankers „Erika“ vor der bretonischen Küste im vorigen Jahr zeigen – sollten die Reederei und auch der Flaggenstaat haften.

ÖTV und ITF wollen mit ihren Aktionen aber vor allem die sozialen Bedingungen der Seeleute auf Billigpötten verbessern. 19.913 dieser Schiffe befahren derzeit die Meere, nur 5535 Schiffe haben mit der ITF Verträge abschlossen, die eine Mindestheuer von 1200 Dollar garantieren.

Wenn in den nächsten Tagen vertragslose Schiffe den Hamburger Hafen anlaufen, könnte es daher zu Verzögerungen kommen. Zunächst wird der Kapitän als Reedereivertreter aufgefordert, einen ITF-Tarifvertrag abzuschließen. Wenn er dem nach einer Fristsetzung nicht nachkommt, werden die Hafenarbeiter zu Boykottmaßnahmen greifen.

So ergeht es seit gestern Abend bereits der „Plovdic“ am Eurokai. Der unter Malta-Flagge fahrende bulgarische Containerfrachter wird als erstes Schiff boykottiert. Benze: „Alle anderen kontrollierten Schiffe waren unter Vertrag.“ Durch solche Aktionen gelang es sogar, die Schiffe der zunächst widerspenstigen deutschen Reederei „OPDR“ unter Vertrag zu bekommen.

Bei den Kontrollen achten die ITF-Inspektoren zudem darauf, ob abgeschlossene Verträge auch tatsächlich eingehalten werden. „Es gibt Schiffe, die haben den Tarifvertrag abgeschlossen, aber den Seeleuten wird das Geld nicht gezahlt,“ berichtet der Gewerkschafter. „Die haben richtig eine doppelte Buchführung eingeführt.“

Die Aktionen nutzen nach Auffassung Benzes auch den Hafenarbeitern. Eine Klausel im ITF-Vertrag gewährleistet nämlich, dass alle Arbeiten beim Be- und Entladen eines Schiffes – zum Beispiel das Laschen der Container – den Hafenarbeitern vorbehalten bleiben und nicht von Billig-Seeleuten durchgeführt werden dürfen.

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