: Boykott der Kosovo-Albaner
■ Gründung eines „Demokratischen Forums“ statt Abstimmung über eine neue Verfassung in Serbien
Pristina/Belgrad (dpa) - Die 1,2 Millionen stimmberechtigten Albaner in der zu Serbien gehörenden südjugoslawischen Provinz Kosovo haben am Sonntag die Volksabstimmung über eine neue Verfassung der größten jugoslawischen Teilrepublik weitgehend boykottiert. Statt dessen schlossen sich alle albanischstämmigen Oppositionsgruppen in der Kosovo -Hauptstadt Pristina zu einem „Demokratischen Forum“ zusammen. In einer „Deklaration“ verlangte das Forum das Recht der Albaner, unabhängig von der Republik Serbien eine eigene Verfassung auszuarbeiten und freie Wahlen auszuschreiben. Gestern riefen 40 albanische Parlamentarier in Pristina die „Republik Kosovo“ aus. Zuvor war den rund 100 albanischen Abgeordneten der Zugang zum Parlament verwehrt worden. In der Provinz stellen die Albaner neunzig Prozent der Bevölkerung.
Bei der Volksabstimmung in Serbien geht es um die Frage, ob noch vor den ersten demokratischen Wahlen die serbische Verfassung neu geschrieben wird. Die Serben wollen damit die bereits aufgehobene Autonomie des Kosovo endgültig abschaffen. Denn bei demokratischen Wahlen unter den Bedingungen des bisherigen Systems würden die albanischen Parteien haushoch gewinnen.
Die Abstimmungslokale waren auch gestern noch geöffnet. Erste Ergebnisse werden heute erwartet. Die in Serbien alleinregierenden Kommunisten hatten die Bürger mit großem Propagandaaufwand aufgefordert, der neuen Verfassung vor den ersten Wahlen zuzustimmen. Sie wollen damit die Wahlgesetze so abfassen, daß die Kosovo-Albaner von der Macht in der Republik ferngehalten werden. Die Opposition teilt zwar die Auffassung der Kommunisten zum „Kosovo-Problem“, sprach aber dem jetzigen kommunistischen Parlament das Recht auf die Ausarbeitung einer Verfassung ab. An einem überwältigen Wahlsieg der serbischen Kommunisten wird nicht gezweifelt. Die demokratischen Organisationen der Kosovo-Albaner drohten am Sonntag, sie würden die KSZE anrufen, falls ihnen die Serben das Selbstbestimmungsrecht verweigerten.
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