Box-Spektakel in Saudi-Arabien: Rumble in Riad
Am Samstag steigt in Saudi-Arabien eine Boxnacht der Superlative mit 10 der 15 besten Schwergewichtler. Doch der eine ganz große Kampf fehlt – noch.
Es ist die Masse, die überzeugen soll. Zehn der 15 besten Schwergewichtsboxer der Welt treten am Samstag im saudischen Riad in den Ring. Mit Masse ist nicht nur das Körpergewicht der Sportler gemeint. Es fehlen tatsächlich nur zwei der besten und spektakulärsten Boxer der vergangenen Jahre: der Brite Tyson Fury und der Ukrainer Oleksandr Usyk. Aber mit dem Briten Anthony Joshua und dem Amerikaner Deontay Wilder sind zwei immer noch sehr hoch gehandelte Ex-Weltmeister da.
Nur: Die zwei boxen nicht gegeneinander. Wilder trifft auf Joseph Parker, ein Neuseeländer, der auch schon mal Weltmeister war. Joshuas Gegner wird der Schwede Otto Wallin sein. Beide Kämpfe gehören in die Kategorie Ansetzungen, die dem Publikum etwas bieten sollen, zugleich aber für den stärkeren Boxer als „machbare Aufgabe“ konzipiert sind.
Es gehört tatsächlich zur Besonderheit dieser anstehenden Boxnacht, dass selten so viel von der „Karte“, also dem gesamten Programm des Abends, die Rede ist, und es zugleich unmöglich ist, einen wirklichen Hauptkampf auszumachen.
Neben Wilder und Joshua ist etwa Arslanbek Machmudow aus Russland zu beachten. Der weist trotz seiner 34 Jahre erst 18 Kämpfe auf – sein Profidebüt gab er 2017 –, hat aber alle gewonnen, 17 durch Knock-out. Machmudow trifft auf den deutschen Schwergewichtler Agit Kabayel. Der ist amtierender Europameister, als Profi bislang auch ungeschlagen. Doch der gebürtige Leverkusener pflegt einen offensiven, wenig auf die Deckung achtenden Stil. Machmudow jedoch ist einer, der auf so einen Gegner wartet: Mit einer Brutalität, die an den jungen Mike Tyson erinnert, sucht er seine Wirkungstreffer.
Sportswashing der überdimensionierten Sorte
In den vergangenen Jahren schien das Schwergewichtsboxen in einer Krise: Kämpfe wurden kurzfristig abgesagt, die Börsenforderungen, die etwa Tyson Fury erhob, schienen jenseits von Gut und Böse. Und das, was letztlich geboten wurde, war kaum noch als Sport zu erkennen: Im Oktober trat Fury nicht gegen einen Boxer, sondern gegen Francis Ngannou an, einen Star des mit dem Profiboxen konkurrierenden MMA. Fury schrammte knapp an einer Blamage vorbei und gewann nach Punkten.
Entscheidend war jedoch, was nun auch an diesem Samstag zählt: dass der Austragungsort Riad heißt. Begonnen hat die boxerische Version der saudischen Sportpolitik 2019, als Anthony Joshua dort gegen Andy Ruiz Jr. seinen WM-Titel zurückholte.
Im Fußball trägt das Königreich aktuell die Klub-WM aus, mit Cristiano Ronaldo, Neymar, Karim Benzema und anderen hat es Topstars ins Land geholt. Im Golf hat es gleich eine eigene Konkurrenzprofitour aufgelegt, 2019 fand die Leichtathletik-WM in Saudi-Arabien statt, 2016 die Radsport-WM und 2018 die Turn-WM – die Liste ist beliebig verlängerbar.
Nach Schätzungen westlicher Analysten steigt das von Riad für Sportevents investierte Geld von 2,1 Milliarden US-Dollar 2018 auf 3,3 Milliarden US-Dollar 2024. Das Regime betreibe damit Sportswashing, also das Aufpolieren des Images, sagt Stephen Cockburn von Amnesty International. Zugleich wolle es so „globale Allianzen knüpfen und seine wirtschaftlichen Muskeln spielen lassen“.
Das Profiboxen hat einen besonderen Stellenwert in dieser gigantomanischen Politik. Früher waren die USA mit Las Vegas das Zentrum des Weltboxens, erläuterte jüngst der 92-jährige US-Boxpromoter Bob Arum, das wolle Riad jetzt werden. „Sie zielen darauf ab, Saudi-Arabien als globales Zentrum für den Boxsport und große Unterhaltung zu etablieren.“
So betrachtet, ist auch der aktuelle Termin sinnvoll. Der 23. Dezember ist im doch sehr christlich geprägten Weltsport bislang ein Tag, an dem kein Topereignis angesetzt wurde. Aus saudischer Sicht hingegen ein guter Termin, um globale Aufmerksamkeit zu generieren.
Ins Bild dieser Strategie, Weltboxmacht zu werden, passen auch andere Informationen, die aktuell durchsickern. Der schon lange avisierte Kampf von Tyson Fury gegen Oleksandr Usyk soll am 17. Februar 2024 steigen. Ein Kampf Anthony Joshua gegen Deontay Wilder ist, so heißt es in einer Quelle, für den 9. März terminiert, eine andere spricht vom Herbst 2024. Alles in Riad, wo sonst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich