: Bosnien: UN-General Cot wirft das Handtuch
■ ... und Blauhelm-Briquemont will ins Europaparlament / Neuauflage der Genfer Verhandlungen am 18. Januar / Bosnisch-kroatische Gespräche in Wien
Genf (taz) – Schon in den letzten Wochen hatte der belgische General Francis Briquemont mehrfach massive Kritik am Versagen der UNO in Bosnien geäußert. Gestern nun ließ der Chef der rund 10.000 in der exjugoslawischen Republik stationierten Blauhelme die Regierung in Brüssel seinen vorzeitigen Rücktritt erklären. Zwar muß UNO-Generalsekretär Butros Ghali die Entlassung Cots noch formell bestätigen, doch wird in UNO-Kreisen damit gerechnet, daß der Belgier tatsächlich statt wie ursprünglich geplant Ende Juli noch im Januar sein Amt als Unprofor-Chef in Bosnien verlassen und auf seinen alten Posten als Oberkommandierender der in Deutschland stationierten belgischen Truppen zurückkehren wird.
Unter ähnlichen Umständen war bereits im Juli letzten Jahres sein Vorgänger, der französische General Phillipe Morillon vom Posten des Befehlshabers der UN- Schutztruppen (Unprofor) in Bosnien zurückgetreten.
Die Ankündigung des Oberkommandierenden der Unprofor in ganz Ex-Jugoslawien, des französischen Generals Jean Cot, seine Truppen stünden für eine militärische Intervention in Bosnien bereit, erwies sich inzwischen als – möglicherweise wahlkampfbedingte – heiße Luft. Die Genfer Sprecherin von UNO-Generalsekretär Butros Ghali erklärte, Cot habe seine Äußerung weder mit diesem noch mit seinem unmittelbaren politischen Vorgesetzten, dem UN-Sonderbeauftragten für Ex-Jugoslawien, Yasushi Akashi, abgesprochen. In Genfer Diplomatenkreisen hieß es, auch Briquemont werde demnächst aus dem aktiven Dienst ausscheiden, um für einen Sitz im Europaparlament zu kandidieren.
Akashi, der erst am Montag seinen Posten als Nachfolger des Norwegers Thorvald Stoltenberg im Zagreber Unprofor-Hauptquartier angetreten hatte, forderte derweil Japan auf, sich an den UNO- Truppen in Ex-Jugoslawien zu beteiligen. Außerdem kündigte er eine nicht näher erläuterte „Umstrukturierung“ der Unprofor an. Der Generalstabschef der US- Streitkräfte und vormalige Nato- Oberbefehlshaber, General John Shalikashvilli, schloß gegenüber dem französischen Fernsehen derweil jede „militärische Lösung der Probleme in Bosnien“ aus. Frankreichs Außenminister Juppé wies hingegen darauf hin, daß die UNO-Truppen in Ex-Jugoslawien schon jetzt das Recht nicht nur zur Selbstverteidigung, sondern auch zur militärischen Initiative hätten. Auf die „berechtigte Klage“ von General Cot, die Unprofor-Soldaten würden von den Kriegsparteien erniedrigt, müßten laut Juppé sowohl UNO-Generalsekretär Ghali als auch der Sicherheitsrat reagieren. Juppé schlug vor, der Nato-Regierungsgipfel Anfang kommender Woche in Brüssel solle über eine „neue Initiative“ für die Friedensbemühungen in Ex-Jugoslawien beraten.
Bosniens Premierminister Haris Silajdžić forderte gestern zum Auftakt seiner Wiener Gespräche mit Kroatiens Außenminister Mate Granić die Nato auf, „die grausame Situation“ in Bosnien notfalls durch Gewalt zu beenden. Granić dementierte in Wien Äußerungen seines Präsidenten Franjo Tudjman, wonach Kroatien eine militärische Intervention zur Unterstützung der bosnischen Kroaten plane. Andreas Zumach
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