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„Bootsy Begley war ein ganz normaler Typ“

■ Der 23jährige tötete in Belfast zehn Menschen mit einer Bombe

„Bootsy Begley war ein ganz normaler Typ“, sagt Cathal, sein Freund. „Er war keiner, vor dem man Angst haben mußte.“ Bootsys Bruder Martin fügt hinzu: „Er hat nie viel gesoffen. Ein paar Bier, und er war betrunken. So war er nun mal.“ Und Billy, der Vater, sagt: „Er war ein guter Arbeiter. Er ist mit allen ausgekommen, für die er gearbeitet hat — egal ob Katholiken oder Protestanten.“

Thomas „Bootsy“ Begley ist tot. Der 23jährige ist vor genau zwei Wochen von seiner eigenen Bombe zerrissen worden. Mit ihm starben neun Menschen in einem Fleischerladen auf der protestantischen Shankill Road in der nordirischen Hauptstadt Belfast. Begley und sein bester Freund, der bei der Explosion ein Bein, einen Arm und beide Augen verlor, wollten im Auftrag der „Irisch-Republikanischen Armee“ (IRA) das über dem Fleischergeschäft gelegene Hauptquartier der „Ulster Defence Association“ (UDA) sprengen, einer illegalen loyalistischen Organisation, auf deren Konto allein in diesem Jahr mindestens 28 Morde an Katholiken gehen. Doch die Bombe explodierte zu früh und tötete statt dessen neun Unbeteiligte — und Begley. Die Loyalisten, die treu zur britischen Krone stehen und für den Verbleib Nordirlands im Vereinten Königreich eintreten, haben aus Rache seitdem 13 Menschen erschossen.

„Wenn Bootsy noch leben würde, wäre ihm kotzübel bei dem Gedanken an das, was er den Frauen und Kindern angetan hat“, sagt Cathal. Billy Begley gibt ihm recht: „Ich weiß, daß mein Sohn nicht zur Shankill Road gegangen ist, um unschuldige Frauen und Kinder zu töten.“ Er sagt, das einzige Buch, das sein Sohn besessen und immer wieder gelesen habe, sei die Geschichte der „Shankill Butchers“ gewesen, einer loyalistischen Gruppe, die in den siebziger Jahren ihre Opfer auf bestialische Weise gefoltert und getötet hat. Um so makabrer ist die Tatsache, daß Begley sich als Fleischer verkleidet hatte, als er die Bombe zur Shankill Road brachte.

Tommys Biographie ist für die Kinder der Belfaster Ghettos durchaus typisch: Begley, das zweitjüngste von fünf Kindern, stammt aus Ardoyne, einer kleinen katholischen Enklave mitten in protestantischem Gebiet. Hier vollzog sich Ende der 60er Jahre die Wiedergeburt der IRA. Begley besuchte die katholische Grundschule „Holy Cross“ und ging später auf die Sankt-Gabriel-Oberschule, die er mit 16 verließ, um im Rahmen eines Jugendausbildungsprogramms eine Lehre als Dekorateur zu machen. Danach war er – wie die meisten in Ardoyne – arbeitslos. Höhepunkt seiner Kindheit war eine Reise nach Connecticut, die von einer Wohlfahrtsorganisation für Kinder organisiert worden war, um die Barrieren und Vorurteile zwischen Katholiken und Protestanten abzubauen. „Ich wußte, daß er Sympathisant war“, sagt sein Vater. „Aber das sind ja 90 Prozent der Jungs in diesem Viertel. Ich wußte nicht, daß es bei ihm darüber hinausging.“

Die IRA kennt keine Nachwuchssorgen, sie lehnt mehr Bewerber ab, als sie aufnimmt. „Genauso wie die meisten Leute hier im Viertel kannte Tommy Begley gar keinen Frieden“, sagt Cathal. „Er war ein einfacher Junge aus der Arbeiterklasse, der gesehen hat, daß in diesem Teil der Insel viel faul ist, und der etwas dagegen tun wollte. Katholiken werden erschossen, weil sie Katholiken sind. Aber unsere Feinde sind die Briten, die Loyalisten sind nur ihre Helfershelfer. Es passiert ständig, daß ein Katholik ermordet wird, nachdem seine Polizei- oder Armeeakte den Loyalisten zugespielt worden ist. Deshalb war Tommy an jenem Samstag auf der Shankill Road. Die Briten sind hier einmarschiert und haben das Land besetzt, aber wegen Menschen wie Tommy Begley konnten sie es nie wirklich erobern.“ Ralf Sotscheck, Dublin

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