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Bonn verhandelt allein mit Moskau

■ Letzte Runde der Vier-plus-Zwei-Verhandlungen bei Berlin / DDR-Delegationschef Sitzungsleitung entzogen / Hintergrund sind Meinungsverschiedenheiten zwischen Moskau und Bonn

Berlin (taz) - Die DDR wurde gestern endgültig international kaltgestellt. Für die letzte Runde der Vier -plus-Zwei-Verhandlungen zwischen BRD und DDR sowie den vier Siegermächten des Zweiten Weltkrieges, die gestern in Niederschönhausen bei Ost-Berlin begann, wurde die DDR -Delegation vollends auf Bonner Linie gebracht. Dem Staatssekretär im Berliner Außenministerium, Helmut Domke (Demokratie Jetzt) wurde in einer gemeinsamen Aktion der Regierungschefs de Maiziere und Kohl kurzfristig die Leitung der Sitzung entzogen. Stattdessen übernahm der politische Direktor des Bonner Auswärtigen Amtes, Dieter Kastrup, den Vorsitz. Domke hatte noch bis zuletzt eigenständige, von der Bonner Haltung abweichende Positionen hinsichtlich der Sicherheitspolitik des künftigen Gesamtdeutschlands vertreten. Er bleibt zwar DDR-Delegationsleiter bei den Vier -plus-Zwei-Gesprächen, erhielt aber einen ehemaligen hohen SED-Funktionär sowie als Aufpasser einen Ex-Mitarbeiter der Bonner CDU-Zentrale an die Seite gestellt.

Die Bonner Koalition wollte jedes Risiko ausschalten. Denn die Verhandlungen stehen unter großem Zeitdruck. Am 12.September soll das Schlußdokument zur Regelung der „äußeren Aspekte der deutschen Einigung“ bereits von den sechs Außenministern in Moskau unterschrieben werden. Doch bis zu Beginn der Verhandlungsrunde gestern morgen war außer der Präambel und einigen Anhängen noch kein Buchstabe des Textes vereinbart. Dissens besteht unter anderem noch über die Frage, ob eine Stationierung von Nato-Truppen auf dem ehemaligen Gebiet der DDR definitv für jeden Fall ausgeschlossen wird. Außerdem wurde noch keine Regelung für die Verifikation der von Bonn und Ost-Berlin gemachten sicherheitspolitischen Zusagen gefunden. Die Sowjetunion besteht darauf, ab dem 4. Oktober die Möglichkeit zu haben, den von Bonn angekündigten Abbau der Truppen auf letztlich 370.000 Mann auch kontrollieren zu können. Dasselbe gilt für den Verzicht Deutschlands auf den Besitz oder die Verfügung von ABC-Waffen. Die UdSSR hat deshalb vorgeschlagen, entsprechende Verifikationen einem Gremium der KSZE anzuvertrauen. Bonn lehnt eine Überprüfung durch die KSZE ab, hat aber auch keine eigenen Vorschläge auf den Tisch gelegt. Die Bundesregierung möchte das Thema aus dem Vier -plus-Zwei-Abschlußdokument ausklammern und „später regeln“.SEITE 4

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