QUERSPALTE: Bonn im Ascheregen
■ Das erdbebensichere Berlin muß Hauptstadt werden
Daß das Wetter hier viel schöner ist als am Rhein, haben die Meteorologen schon vor Monaten bewiesen. Jetzt legen die Geologen nach: Berlin ist auch weitaus erdbebensicherer als die tektonische Krisenzone rund um Bonn. Eine zwingende naturwissenschaftliche Argumentation, der sich die Bonner Politiker kaum noch entziehen können. Außer durch Umzug nach Berlin.
Trotzdem passiert nichts. Was muß eigentlich noch passieren? Im Rheingraben rührt sich bereits der Untergrund, ein Donnergrollen geht durch das Siebengebirge, die Erdschollen beginnen ein wildes Geschiebe, als ginge es um die Kandidatenaufstellung für den nächsten Bundestag. Trotzdem meldet sich kein Kanzlersprecher mit einer Erklärung, auch der Innenminister schweigt, und selbst Wolfgang Thierse hat noch nicht gefordert, die Parlamentsneubauten in Bonn lieber gleich einzureißen, bevor sie beim nächsten Erdstoß von selbst zusammenstürzen.
Mit mathematisch-naturwissenschaftlichen Exaktheiten haben die Bonner eben seit jeher ihre Schwierigkeiten. Daß nach ihrer Logik zwei plus zwei beileibe nicht vier, sondern bestenfalls 3,65 ergibt (nach energischen Einsprüchen des Finanzministers und dem Abzug eines Solidarzuschlags für die Förderung des Mathematikunterrichts in den neuen Ländern), damit muß man rechnen.
Aber muß man es hinnehmen? »Denkt an Pompeji!«, möchte man den Bonnern zurufen. Wer im Kartenhaus sitzt, der sollte nicht mit den Umzugskosten pokern! Besser von einem Schuldenberg begraben werden als unter einem Ascheberg! Wer weiß denn, ob künftige Archäologengenerationen überhaupt noch das Geld haben werden, Euch auszugraben und im Museum für prähistorische Formen politischer Korruption auszustellen? Eins ist doch sicher: Erdbebenhilfe aus der Türkei ist zur Zeit nicht zu erwarten. Nur die Hauptstadt Kreuzberg ist geologisch wirklich solide: Sie wird nämlich auf Sand gebaut. Hans-Martin Tillack
Siehe Interview auf Seite 22
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