Bombendrohungen gegen Moscheen: Angst beim Beten

Im Juli gab es 14 Angriffe auf Moscheen in Deutschland und 8 Bombendrohungen. Von der Sorge der Gläubigen nimmt die Öffentlichkeit aber kaum Notiz.

Ein Polizeiauto steht vor der Merkez-Moschee in Duisburg

Brauchen Moscheen standardmäßig Polizeischutz? Foto: dpa

Dienstag, 9. Juli 2019: Wie jeden Morgen beantwortete Abdurrahman Atasoy, Generalsekretär der Ditib-Zentralmoschee in Köln, die Mails. Gegen 10 Uhr trifft eine Nachricht ein, die für 11.15 Uhr eine Bombenexplosion ankündigt. „Wir haben sofort die Behörden kontaktiert, jeden im Gebäude informiert und das Haus verlassen. Alle sind schnell rausgerannt“, erinnert sich Atasoy. Deutschlands größter Moscheenkomplex wurde umgehend durch die Polizei evakuiert. MitarbeiterInnen und BesucherInnen, wohl rund 200 bis 300 Menschen, mussten in Sicherheit gebracht werden, die Umgebung wurde abgesperrt.

Als „katastrophal und beängstigend“ beschreibt Atasoy die Situation. Der 28-Jährige arbeitet seit drei Jahren bei Ditib. Hassmails seien „leider Gottes“ zur Normalität geworden, eine Drohung dieser Art musste er zum ersten Mal miterleben. Letzten Endes fand die Polizei keine Hinweise auf eine Bombe, um 15 Uhr wurde die Moschee wieder geöffnet. „Aber am nächsten Tag habe ich mich mulmig gefühlt, als ich wieder auf dem Weg zur Arbeit war“, sagt Atasoy.

Diese Drohmail gegen die Moschee blieb im Juli nicht die einzige.

11. Juli (der Jahrestag des NSU-Urteils): Bombendrohungen an Moscheen und Ditib-Gemeinden in Iserlohn, München-Pasing und -Freimann, außerdem wird das Büro der Ditib in Bad Homburg verwüstet.

22. Juli: Bombendrohungen an Ditib-Moscheen in Mannheim, Duisburg und Mainz, einen Tag später auch in Villingen-Schwenningen. Die Moscheen mussten geräumt und abgesperrt werden, die Polizei fand in keinem der Fälle Sprengstoff.

Hakenkreuze, zerrissenen Korane, Tierkadaver

Wie der Verfassungsschutz auf Anfrage bestätigt, waren die Drohmails unter anderem mit „Combat 18“ unterzeichnet – die rechtsextreme Gruppe gilt als bewaffneter Arm des verbotenen Neonazinetzwerks Blood and Honour. Ob zwischen den Mails ein Zusammenhang besteht, ist laut Verfassungsschutz Gegenstand der aktuellen Ermittlungen.

Innerhalb von 14 Tagen gab es acht Bombendrohungen gegen Moscheen, im gesamten Juli konnten 14 Angriffe auf Moscheen in Deutschland gezählt werden – ein enormer Anstieg im Vergleich zu den Vormonaten. Die Zahlen stammen von #brandeilig, einer Initiative, die sich gegen Angriffe auf Moscheen einsetzt.

Das Internetprojekt des Anti­diskriminierungsverbands Fair International dokumentiert Angriffe aller Art gegen Moscheen: von Hakenkreuzschmierereien und zerrissenen Koranen über das Ablegen von Tierkadavern bis hin zu Brandstiftungen und Bombenanschlägen. Die Initiative will die Dimension der Gefahr, der muslimische Gemeinden ausgesetzt sind, einer breiten Öffentlichkeit vermitteln. „Es fehlt an einer gesamtgesellschaftlichen Sensibilität zu diesem Thema“, findet Projektleiter Yusuf Sari.

„Bei Angriffen auf Moscheen handelt es sich um eine besonders tief wirkende Grenzüberschreitung, von der nicht nur Gemeinden oder Religionsangehörige, sondern das friedliche Miteinander insgesamt betroffen sind.“ Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit würde trotz der beständig hohen Anzahl von Angriffen fehlen – #brandeilig zählte 420 zwischen 2014 und 2018.

Die Initiative verzeichnet dabei mehr Angriffe als die offizielle Statistik zu politisch motivierter Kriminalität. Diese erfasste 19 islamfeindliche Straftaten im ersten Quartal 2019, #brandeilig zählte zwei Angriffe mehr. Das weist laut Sari auf mögliche systematische Mängel in der offiziellen Erfassung hin. Er erklärt, dass die Dunkelziffer noch höher liegen dürfte: „Viele Moscheen bringen Beleidigungen und Schmierereien häufig gar nicht erst zur Anzeige.“

Yusuf Sari, #brandeilig, Initiative gegen Moscheeangriffe

„Viele Moscheen bringen Beleidigungen und Schmierereien häufig gar nicht erst zur Anzeige“

Auch Abdurrahman Atasoy erklärt, dass die Ditib selbst nicht wisse, wie genau sie mit dieser Situation umgehen solle. „Wir raten den einzelnen Gemeinden nun, mit den Behörden vor Ort in Austausch zu treten und zu überlegen, wie die Sicherheitsmaßnahmen verbessert werden könnten“, sagt er. Bundes- und landesweite Sonderbeauftragte für antimuslimischen Rassismus seien ebenso wünschenswert wie Polizeipräsenz rund um die Uhr.

An Moscheen in Berlin und Brandenburg erhöhten die Polizeistellen die Schutzmaßnahmen bereits nach dem Anschlag in Christchurch in Neuseeland im März. Angesichts der Drohmails erklärten fast alle zuständigen Polizeistellen, dass sie die Gefahrenlage neu bewerteten und die Maßnahmen „laufend anpassten“. Mannheims Polizeisprecher Michael Klump erklärt sogar, dass die Moscheen im Zuständigkeitsbereich der Mannheimer Polizei „aufgrund der derzeitigen abstrakten Bedrohungslage“ ohnehin regelmäßig intensiv überwacht würden.

Eine erhöhte Polizeipräsenz könnte zwar durchaus sinnvoll sein, findet Yusuf Sari von #brandeilig. Das alleine sei aber nicht ausreichend: „Wichtig wäre die Verbesserung der Aufklärungsquote, aber auch eine effektive Auseinandersetzung mit antimuslimischem Rassismus.“ Das Innenministerium müsse Maßnahmen entwickeln, um das Problem von Grund auf zu beseitigen und nicht nur Symptome zu bekämpfen. „Dafür ist es erst einmal nötig, dass das Ministerium den dringenden Handlungs­bedarf ­überhaupt erkennt“, so Sari.

Das Innenministerium ließ eine Anfrage der taz zu Schutzmaßnahmen für muslimische Einrichtungen derweil unbeantwortet. Auf Twitter ließ das Ministerium allerdings verlauten, dass es nicht über Erkenntnisse verfüge, die auf eine konkrete Gefährdung von Moscheen in Deutschland hindeuteten.

Abdurrahman Atasoy ist dennoch froh, dass dem Statement wenigstens eine Empathiebekundung von Innenminister Horst Seehofer beiliegt. Dort heißt es: „Die Gewaltandrohungen gegen Muslime und ihre Moscheen treffen uns alle tief ins Mark, und ich verurteilte sie aufs Schärfste.“ Starke Signale seitens der Politik seien wichtig, so Atasoy, damit sich die Gemeinden mit ihrer Angst ernst genommen fühlen.

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