■ Querspalte: Bolko schaut beckenbaueresk
Alle Welt spricht gerne über „Medien“ mit ernstem Blick; hochwichtig ist das alles sehr. Ein Kollege, der früher mal in der Medienredaktion beschäftigt war, pflegte das „ie“ in den Medien immer als „j“ bzw. „ch“ zu lesen und traf sich dann als charmanter „Mädchenredakteur“ gerne beim Bierchen in der „Dicken Wirtin“ mit anderen Mädchenredakteuren. Dort steckte man die Lockenköpfchen zusammen und kicherte lustig über den heißumkämpften Mädchenmarkt.
So wird ein Schuh draus; so wächst einem der Mädchenstandort Berlin plötzlich ans Herz, und das Herzchen schlägt höher bei dem Gedanken, vielleicht doch irgendwann einmal Mädchenberater zu werden. Da könnte man dann mit fröhlchen Mädchenkampagnen entschieden gegen die mädchenverachtenden Praktiken der tausend Mädchenmärkte vorgehen. Die Mädchenkampagne, die mir zur Zeit am besten gefällt, stammt übrigens von der „Initiative Pro-D-Mark“. Hauptagitator und Leitwolf der volksnahen Bewegung, die sich mit ganzseitigen Anzeigen in diversen Leitmädchen entschieden gegen die Einführung des Euro ausspricht – „eine unvorstellbare Katastrophe“ –, ist Bolko Hoffmann. Tatsächlich: unser alter Freund und Possenreißer Bolko Hoffmann. Nicht Botho, sondern eben: Bolko. Wunderbar! Bolko vom Effecten-Spiegel, dem „größten Börsenjournal Europas“.
So sieht man sich dann wieder. Hallo! Hallo! Aus dem kleinen Bolko ist ein großer Bolko geworden, windschnittig im Halbprofil, leicht beckenbaueresk mit einem Schuß Dieter Hoeneß, ein Macher, ein Abräumer.
„Kohls Euro-Wahn macht uns alle zum Sozialfall“, weiß Bolko und entlarvt mit der ihm eigenen Brachialironie die Wachstumsfeindlichkeit aller Politiker – „gleich welcher Partei“, die „unsere Staatsfinanzen ruiniert“ haben und werden. „Der Euro muß weg!“ Nieder mit! Hoch die! Interessierten empfehlen wir die Videokassette „Was tun, wenn die D-Mark stirbt?“ zum Preis von 99 DM. Ludwig Kuhlbrodt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen