: Blutopfer fürs Bürschchen
Joakim Noah, Sohn des ehemaligen Tennisprofis Yannick, sorgt in der US-Collegemeisterschaftfür Furore. Das Basketballteam der University of Florida hat der 21-Jährige ins Finalturnier geführt
AUS GAINESVILLE THOMAS WINKLER
Das Hühnchen ließ sein Leben nicht umsonst. In Kamerun war Blut geflossen, in Minneapolis nur Schweiß, am Ende aber stand die Qualifikation fürs Final Four: Die Florida Gators schlugen Villanova mit 75:62 und erreichten das Halbfinale im College-Basketball. Dazu beigetragen hatte Zacharie Noah, der versprochen hatte, sein Messer zu wetzen, auf dass die Götter den Gators gewogen sein mögen.
Hauptverantwortlich für den Erfolg allerdings war wieder einmal der Enkelsohn des Geflügelschlächters: Joakim ist 21 Jahre alt, 2,11 Meter groß, Center der University of Florida und sammelte gegen Villanova 21 Punkte, 15 Rebounds und fünf Blocks. Der Sohn des ehemaligen Tennis-Stars Yannick Noah, des French-Open-Gewinners von 1983, scheint auf dem besten Wege, den sportlichen Großtaten des Vaters neue hinzuzufügen. Die Chancen auf den Titel stehen gut, denn am kommenden Wochenende in Indianapolis, wo das Final Four in diesem Jahr ausgetragen wird, sind die Gators plötzlich Favorit, nachdem die vor dem Turnier am höchsten eingeschätzten Teams sich allesamt bereits verabschiedet haben.
Auch in Indianapolis, das steht zu erwarten, wird Joakim Noah nicht nur Punkte und Rebounds zum Erfolg der Gators beisteuern, sondern auch jene überbordende und ansteckende Begeisterungsfähigkeit, für die schon sein Vater berühmt war und mit der er die 12.000 Zuschauer im stets ausverkauften O’Connell Center im heimischen Gainesville regelmäßig zum Kochen bringt. „Emotionen sind nicht immer gut“, schränkte Joakim Noah nach einem Heimspiel vor wenigen Wochen allerdings einmal ein, „am Anfang der Saison war ich da draußen auf dem Court manchmal so aufgeregt, dass ich kaum noch Luft bekommen habe.“
Seine extrovertierte Art hat ihn zur Seele der Gators werden lassen. „Er trägt uns auf seinen Schultern“, erkannte sein Trainer Billy Donovan, „er ist so unglaublich leidenschaftlich, so voller Energie und Intensität in allem, was er tut.“ Manchmal allerdings tut der so Gelobte auch zu viel. Sein Coach muss ihm bisweilen während der Auszeit den Mund verbieten, weil Joakim aus dem Plappern nicht herauskommt – anstatt sich anzuhören, wie der nächste Spielzug ablaufen soll.
Auf dem Campus in Gainesville lebt der in New York und Paris aufgewachsene Noah zusammen mit drei seiner Teamkameraden in einer Wohnung und wird von allen nur „Joe“ gerufen, aber ein durchschnittlicher College-Sportler ist er nicht. Nicht nur hat er als Sohn eines Tennis-Stars und einer erfolgreichen Bildhauerin, die ihre Karriere als Miss Schweden begann, das Sportstipendium, das ihn nach Florida brachte, im Gegensatz zum Großteil seiner Mannschaftskollegen finanziell gar nicht nötig. Nicht nur wurde dem kleinen Joakim das Talent ganz konkret bereits in die Wiege gelegt, als ihm Patrick Ewing, New-York-Knicks-Legende und Freund seines Vaters, als Baby einen Minibasketball schenkte. Vor allem aber ist er nicht so einseitig interessiert wie seine Altersgenossen, sondern auch an fremden Kulturen und politischen Themen. Er studiert Sozialwissenschaften, hält seinen Zimmergenossen Vorträge über die Armut – und seinem Trainer empfiehlt er Michael-Moore-Filme.
Coach Donovan glaubt, Noah werde sein volles Potenzial erst mit 26 oder 27 Jahren erreichen. Dabei hat er heute schon weniger Probleme, ein College-Spiel zu dominieren, als seine Dreadlocks unter Kontrolle zu halten: Doch noch werden seine Aussichten, nach dem College eine Karriere als Profi zu starten, von den Talentspähern der NBA nicht als die allerbesten eingeschätzt. Zwar hat Joakim noch zwei Jahre College vor sich, in denen er an seinen Schwächen arbeiten kann. Aber um in der NBA bestehen zu können, wird er noch einiges an Muskelmasse auf seinen eher spindeligen Körper packen müssen. Und er sollte auch seinen mäßigen Wurf aus der Distanz verbessern. Nichtsdestotrotz ist sein bisher erreichtes Leistungsniveau erstaunlich. „Ich habe noch niemanden gesehen, der so große Fortschritte gemacht hat wie Joakim im vergangenen Jahr“, stellt sein Trainer Donovan fest.
Die erstaunliche Entwicklung hat ihren Ursprung in Kamerun. Im vergangenen Sommer nutzte Joakim die Semesterferien, um in die Heimat seiner Vorfahren zu reisen. Dort, erzählt er, hätte ihm Zacharie Bescheidenheit und harte Arbeit gepredigt. Das habe er sich zu Herzen genommen und seitdem „sehr, sehr schwer geschuftet“. Ob im Laufe der großväterlichen Schelte ebenfalls ein Hühnchen zu Schaden kam, ist nicht überliefert.