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Blutige Kämpfe in Nordindien

■ Hindus und Moslems bekriegen sich in Meerut / Mindestens 65 Tote / Moslem–Viertel abgeriegelt Racheakte griffen auf Neu–Delhi über / Beobachter sprechen von „Hungeraufständen“

Neu Delhi/Meerut (afp) - Die seit einer Wochen andauernden blutigen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Moslems in der nordindischen Stadt Meerut gingen auch am Wochenende trotz Ausgangssperre mit unverminderter Heftigkeit weiter. Allein in der Nacht zum Sonntag kamen bei Schußwechseln zwischen Armee und bewaffneten Plünderern zwölf Menschen ums Leben. Offiziell wird von insgesamt 65 Toten gesprochen, Journalisten schätzen die Zahlen der Opfer dagegen auf das Doppelte bis Dreifache. Die Unruhen begannen, nachdem ein Hindu–Bankangestellter angeblich von Moslems umgebracht worden war. Für mehrere Tage gerieten die Auseinandersetzungen dann außer Kontrolle. Am Wochenende bot Meerut das Bild eines Kriegsschauplatzes. Mindestens 400 Häuser und Geschäfte brannten. Nahrungsmittel sind Mangelware, die Schulen sind geschlossen. Die Millionenstadt Meerut ist einer der Wachstumspole in dem bevölkerungsreichen Bundesstaat Uttar Pradesh. Bereits 1973, 82 und 86 kam es dort zu sogenannten „Communal Riots“ (Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgemeinschaften). Die Straßenschlachten der letzten Tage werden jedoch als die schlimmsten seit der Unabhängigkeit betrachtet. Auch am Sonntag standen weite Teile der Industriestadt unter einer unbefristeten Ausgangssperre. Über 2.500 Personen wurden in den letzten sechs Tagen bei Hausdurchsuchungen festgenommen. Seit Beginn der Ausschreitungen sind mehrere Moslem– Viertel der Stadt von der Außenwelt abgeschnitten. Selbst die Armee wagt es nicht, die Stadtteile zu betreten, da Moslem–Scharfschützen von Hausdächern aus die Zugänge zu den Vierteln kontrollieren. Im Zuge von Racheakten haben die Auseinandersetzungen inzwischen auch auf die Altstadt von Delhi übergegriffen, wo wütende Moslems am Freitag Geschäfte stürmten und auf Hindus losgingen. Mindestens acht Menschen wurden getötet. Die Regierung und die nun eingesetzen Einheiten der Streitkräfte vermuten militante Hindu–Organisationen als Initiatoren der Unruhen. Beobachter weisen jedoch auch auf die schon lange existenten Spannungen hin und sprechen von Hungeraufständen.

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