: Blutbad gefährdet Frieden in Nahost
■ In Hebron starben 50 PalästinenserInnen im Kugelhagel / Die Tat eines einzelnen Siedlers?
Hebron/Jericho/Tel Aviv (taz/ AFP/AP) – Ein Blutbad könnte die Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern zum Scheitern bringen. Gestern morgen gegen sechs Uhr Ortszeit starben in einer Moschee in der in der israelisch besetzten Westbank gelegenen Stadt Hebron mehr als 50 PalästinenserInnen im Kugelhagel. Nach israelischen Angaben feuerte ein einzelner israelischer Siedler auf die Betenden und erschoß sich anschließend selbst. Ministerpräsident Jitzhak Rabin sprach von „einer verrückten Tat eines Psychopathen“. Palästinensische Augenzeugen wollen dagegen entweder vier bis fünf Schützen gesehen haben oder mehrere „Assistenten“, die den Schützen mit Reservemagazinen versorgten. Einigen Berichten zufolge wurde aus verschiedenen Richtungen geschossen.
Bei dem Massaker wurden bis zu 200 Personen verletzt. Die umliegenden Krankenhäuser riefen zu Blutspenden auf. Im Laufe des Tages kam es in zahlreichen Städten in der Westbank und im Gaza- Streifen sowie im Ostteil Jerusalems zu blutigen Straßenschlachten zwischen Palästinensern und israelischen Militärs, bei denen weitere Menschen getötet wurden. Am Mittwoch meldete sich bei dem israelischen Militärrundfunk eine Gruppe namens „Organisation der Rächer“ und bezeichnete das Blutbad als Vergeltung für den Mord an Meir Kahane. Der ultrarechte Rabbi war 1990 in New York von einem Palästinenser erschossen worden.
Mehrere hundert PalästinenserInnen hatten sich im Ramadan in der Ibrahim- Moschee zum freitäglichen Frühgebet versammelt. Plötzlich, so Augenzeugen, seien von hinten Gewehrsalven gefallen. Jemand habe gerufen: „Die Siedler greifen an!“ Ein Mann in israelischer Militäruniform habe willkürlich in die Menge geschossen. Der Kugelhagel soll fünf Minuten angehalten haben. Der oder die Schützen hatten genügend Zeit, die Magazine zu wechseln.
Die israelischen Besatzungsbehörden erklärten anschließend, bei dem Schützen habe es sich um den 35jährigen Arzt Baruch Goldstein gehandelt. Der vor elf Jahren aus den USA eingewanderte Siedler gehörte zum Vorstand der auf einem Hügel bei Hebron gelegenen jüdischen Siedlung Kiriat Arba und zu der ultrarechten Siedlerorganisation Kach. Israelischen Militärs zufolge hatte der Reservemajor der israelischen Armee seine Uniform an, als er alleine mit einem Schnellfeuergewehr und einer Pistole in die Moschee eindrang.
Während er feuerte, sollen sich vor dem Gebäude israelische Soldaten aufgehalten haben, die aber nicht eingreifen konnten, weil ihnen aus der Moschee Flüchtlinge entgegenströmten. Palästinenser behaupteten, die Militärs hätten keinen Versuch unternommen, einzugreifen.
Nach Darstellung von Siedlern zeichnete sich der Konflikt schon am Vorabend ab. Siedler und Palästinenser hätten sich gestritten, wer an der über der Grabstätte Abrahams errichteten Moschee beten dürfe. Abraham wird von den Juden als Erzvater und von den Muslimen als Prophet Ibrahim verehrt. Einige Palästinenser sollen gerufen haben: „Schlachtet alle Juden ab!“ Tagesthema Seite 3
Ein Palästinenser küßt den Leichnam Wassan Al-Ghourys. Der 25jährige ist einer der über 50 Betenden, die gestern in Hebron erschossen wurden. Foto: Reuter
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