piwik no script img

Blut und Uhrwerke

■ Nachwuchs: Die Wüste lebt!, zweiter Teil

Nach den ersten Produktionen des Nachwuchs-Regie-Festivals Die Wüste lebt! läßt sich getrost eine weitere Empfehlung aussprechen. Denn dasjenige, was Nachwuchsarbeiten oft so publikumsabstoßend macht, blieb bisher deutlich aus: Man wird weder durch Dilettantismus noch durch Epigonentum gequält.

Vier Produktionen stehen jetzt noch auf dem Programm. Begonnen wird heute abend mit einem Gastspiel der traditionellen Ost-Berliner Schauspielschule „Ernst Busch“, aus der viele Persönlichkeiten der ehemaligen DDR-Schauspielkunst stammen, die auch heute noch Film, TV und Bühne bereichern. Die neue Generation hat sich nun den Franz Kafka vorgenommen. Sechs junge Regisseure haben jeweils eine Erzählung zum Kurzstück entwickelt und spielen in den anderen mit. Der Szenenfächer trägt den Titel Ein Käfig ging einen Vogel suchen.

Morgen folgt dann ein Schlager-Theater-Abend über das drittgrößte deutsche Spießerphänomen nach Rauhhaardackeln und Häkeldecken: den Kegelverein. Kegelfreunde oder die Suche nach dem Ich von Sandra Strunz beschreibt den Mechanismus, wie die Gruppe sich ihren Anführer sucht, der sie „fickt, quält, erniedrigt und mißachtet“, worüber alle solange begeistert sind, bis dieser Turbo-Macho eine Schwäche zeigt. Diese bittere Farce über des Teutonen unverändertes Uhrwerk wurde in Improvisationen anhand von Schlagertexten erarbeitet.

Am Wochenende wird das Festival mit einem Doppelprogramm beschlossen. Oliver Schamberger hat eine Adaption von Othello erarbeitet, der er den Untertitel Der Geruch der Beute. Das Gefühl von warmem Blut. gegeben hat. Schamberger versucht hier, die rassistischen Strukturen der dargestellten venezianischen Gesellschaft zu entblättern, über die Stadttheaterproduktionen so gerne schweigen.

Danach zeigt Falk Richter eine Erneuerung seines Stückes Portrait. Image. Konzept., das sich mit dem Wandel des jugendlichen Popstars im Verdauungsprozeß seiner Medienkarriere beschäftigt. tlb

Heute: Kafka-Projekt; morgen: Kegelfreunde; Sa/So: Othello (alle 20 Uhr) und Portrait... (22 Uhr); Kammerspiele

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen