: Bloß nicht die Parteimänner verärgern
■ Paragraph 218: Roswitha Verhülsdonk widerspricht als zweite Vorsitzende der CDU-Frauenunion ihrer Parteikollegin Rita Süssmuth / Wer entscheidet über die Indikation?
Aus Bonn Tina Stadlmayer
Die stellvertretende Vorsitzende der CDU-Frauen-Union, Roswitha Verhülsdonk, ist in der zentralen Frage „Wer entscheidet über die Indikation?“ nicht mit Rita Süssmuths Vorschlag zum Abtreibungsrecht einverstanden. Die oberste CDU-Frau will während der ersten drei Monate einer Schwangerschaft die Entscheidung über einen Abbruch der Frau überlassen. Roswitha Verhülsdonk zu Süssmuths Vorschlag: „Für mich bleibt dabei offen, wer stellt fest, ob eine Indikation vorliegt?“ Ihrer Ansicht nach dürfe die Frau dies nicht alleine entscheiden.
Die Beraterin oder - bei einer medizinischen Indikation der Arzt müsse schriftlich festhalten, ob eine gewichtige Notlage vorliegt oder nicht. Ohne eine solche Indikation entpreche der Süssmuth-Vorschlag der Fristenlösung, wie sie in Frankreich Gesetz sei. Dort muß zwar eine Notlage vorliegen, kein Arzt oder Berater ist jedoch gewungen, die Einschätzung der Frau über ihre Situation nachzuprüfen.
Auch bei der Frage einer Übergangsregelung für Gesamtdeutschland sind sich die beiden Frauen-Unions -Vorsitzenden nicht einig. Süssmuth hält das Nebeneinander der Indikations- und der Fristenlösung für ausgeschlossen. Sie will im Vereinigungsvertrag die Richtung für ein gemeinsames Gesetz angeben. Ihre Parteifreundin Verhülsdonk hält dagegen eine Übergangsfrist von mindestens einem Jahr für unausweichlich. Obwohl Rita Süssmuth ihren Vorschlag eines „dritten Weges“ für das Abtreibungsrecht mit dem Vorstand der Frauen-Union abgesprochen hatte, erhielt sie bislang von keiner einzigen Landesvorsitzenden öffentliche Unterstützung. Roswitha Verhülsdonk berichtet, die Frage, ob eine Indikation ausgestellt werden müsse oder das Protokoll des Beratungsgespräches ausreiche, sei im Vorstand nicht diskutiert worden. Hier gebe es unterschiedliche Auffassungen.
Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, Inge Wettig-Danielmeier, lud die CDU-, FDP- und Grünen-Frauen gestern per Brief zu einem gemeinsamen Gespräch ein. Bereits kommende Woche will sie die Politikerinnen an einen Tisch kriegen, um „Punkt für Punkt“ auszuloten, ob der Süssmuth-Vorschlag doch noch ein parteiübergreifender Kompromiß sein könnte. Über eine Plicht zur Beratung - ohne Protokoll und ohne vorgegebenes Beratungsziel - könne man, so Inge Wettig-Danielmeier, mit den Sozialdemokratinnen durchaus reden.
Auch Elke Kilz vom Bundesvorstand der Grünen begrüßt einen Runden Frauentisch. Jetzt sei die einmalige Chance, „daß die gemeinsame Frauen-Power die Parteigrenzen überschreitet“. CDU-Frau Verhülsdonk findet Gespräche mit den Politikerinnen der anderen Parteien zwar wichtig, der Rahmen sollte nur nicht allzu offiziell sein, sonst könnten die Parteimänner das Gefühl kriegen, da braue sich was zusammen.
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