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Archiv-Artikel

„Bloß nicht berühmt werden“

Vielleicht spielt sie ihre Songs sogar zu Ende: Cat Power kehrt heute Abend in der Prinzenbar in sich

Interview: SANDRA ZIEGELMÜLLER

Chan Marshall alias Cat Power ist mit ihrem neuen Album You Are Free in fast jedem Hochglanzmagazin zu finden und seit Monaten auf Tour. Dabei ist die 31-jährige Singer-/Songwriterin keine Person, die sich gern der Öffentlichkeit stellt. Auf der Bühne kehrt sie sich vollkommen in sich, als sei das Publikum nicht existent. Immer wieder hörte man auch von Auftritten, bei denen Cat Power keinen ihrer eindringlichen Songs zu Ende spielte, urplötzlich in Tränen ausbrach oder schlicht wortlos die Bühne verließ.

Recht gefestigt wirkte Chan Marshall im Januar dieses Jahres, als sie der taz hamburg sogar Persönliches offenbarte und prompt selbst die erste Frage stellte:

Chan Marshall: Magst du die White Stripes?

taz hamburg: Nicht wirklich.

Ich hasste sie, weil jeder sie so toll fand. [Singt zwei Takte White Stripes]. Jetzt mag ich sie. [Flüstert:] Mir gefällt vor allem der Sänger ... Ich denke, er ist schwul. Vielleicht, weil ich bei ihm eine sehr starke weibliche Seite sehe – was ja gut ist und gar nicht unbedingt heißen muss, dass er schwul ist ...

Hast du nicht auch deine männlichen Seiten?

Oh yeah! Ich hatte immer das Gefühl, Männer seien besser als ich, weil es einem auch andauernd gesagt wurde. Das hat mich definitiv geprägt. Ich wollte nie ein Mädchen sein, weil ihnen an den Hintern gefasst wird.

Aber du hast gelernt, dich zu verteidigen, oder?

Physisch schon, aber emotional? Da bleibt das Gefühl, man sei nicht gut genug. Ich habe wohl dieses männlich-aggressive Verhalten adaptiert, weil ich die Jungs von mir fern halten musste. Manchmal wünschte ich, ich könnte eine „100 %-Frau“ sein. Aber es scheint so, als hätten alle Frauen, die ich wirklich mag, eine männliche Seite: Patti Smith, Billie Holiday, Janis Joplin, Joni Mitchell ...

Siehst du dich als Vorbild für andere Frauen und Mädchen?

Ich weiß nicht, ob ich ein Rolemodel bin, aber junge Frauen kommen zu meinen Konzerten und sagen: „Ich finde toll, was du machst. Ich mach dasselbe und du gibst mir Hoffnung.“ Ich hatte früher keine Hoffnung, mit Musik meinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Ich wuchs bei meinem Vater auf, der Berufsmusiker ist. Wir stehen uns nicht sehr nahe. Ich erinnere mich, dass ich ihm davon erzählte, als ich meine erste Platte aufnahm. Er sagte nur: „Ach, hör auf damit, einem Traum nachzujagen.“

Dein Vater hat dich also nicht unterstützt?

Nein! Er war in der Familie der Musiker, der egoistische Künstler. Aber auch meine Mutter ... Jetzt, wo ich mit meiner Musik viel Beachtung bekomme und einen gewissen sozialen Status erreicht habe, erzählen sie jedem: „Meine Tochter ist Musikerin.“ Dabei wollte ich nie etwas erzwingen. Wenn mich jemand fragte: „Möchtest du berühmt werden?“, sagte ich: „Bloß nicht! Man kann sich nie unbemerkt in einem kleinen Ort am Strand erholen, in einem Antiquariat wühlen oder im Central Park Schlittschuh laufen ...“

Wo hast du deine neuen Songs aufgenommen?

In Los Angeles, Atlanta, Virginia, Seattle und Capri/Italien. Ich wollte mich von niemandem produzieren lassen. Deshalb fragte ich rum, ob jemand einen Techniker kennt, der sich nicht als Produzent aufspielt – so kam ich zu Adam Kasper, der bereits für einige größere Bands [Foo Fighters, Pearl Jam] gearbeitet hat. Er hatte zwischendurch immer mal wieder freie Studiozeit, dann bin ich auf Abruf in diese millionenteuren Studios geflogen, um meine Songs aufzunehmen. Deshalb sind sie über einen sehr langen Zeitraum entstanden und klingen so sporadisch.

Auf der neuen Platte spielst du viel Klavier – wie wirst du live auftreten?

Zusammen mit einer Band, und zwischendrin werde ich mich allein ans Klavier setzen.

heute, 21 Uhr, Prinzenbar