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Blockland schleichend vergiftet

■ Gutachten empfiehlt „dringend“ Dioxin-Messungen an Bremer Lebensmitteln

Bauern im Bremer Blockland leben gefährlich. Jedenfalls dann, wenn sie die Milch ihrer Kühe selbst trinken und öfter mal Hausgeschlachtetes auf den Mittagstisch bringen: Mit jedem Schluck und Bissen nehmen sie höchstwahrscheinlich eine ordentliche Ration Dioxine und Furane zu sich.

In jedem Liter Blockland-Milch vermuten Experten des Frankfurter Battelle-Instituts 80 Pikogramm des Seveso-Gifts 2,3,7,8-TCDD-Dioxin, das als hochgradig krebserregend gilt, Erbanlagen schädigt und Mißbildungen verursacht. Zum Vergleich: Die Hessische Landesanstalt für Umwelt hält eine tägliche

Dosis von einem Zehntel Pikogramm je Kilo Körpergewicht noch gerade für „akzeptabel“. Klartext: Mit jedem Liter der eigenen Milch hätte ein 80 Kilo schwerer Blockland-Bauer die zehnfache Höchstdosis Dioxin im Bauch. Resummee der Gutachter über das Leben von Selbstversorgern im Bremer Blockland: „Zusammen mit der Dioxinbelastung aus anderen Quellen ist eine deutliche Überschreitung des vom Bundesgesundheitsamt genannten Empfehlungswerts ... zu befürchten... In Einzelfällen (Kleinkinder, einzelner Bauernhof, hoher Milchkonsum) kann es durchaus zu höheren Werten kommen.

Wie hoch genau - darüber können auch die Gutachter nur Mutmaßungen anstellen. Der Grund: Exakte Messungen über die Dioxin-Belastung der Böden rund um die Bremer Müllverbrennungsanlage oder der im Blockland erzeugten Landwirtschaftsprodukte fehlen bis heute. Gemessen wird bislang lediglich, wieviel Dioxion aus dem Schornstein der MVA kommt. Wo es bleibt, weiß niemand. Appell der Gutachter an Bremens Umweltsenatorin Evi Lemke-Schulte: „Angesichts des existierenden Gefahrenpotentials und beträchtlicher Ungenauigkeiten der Abschätzung wird eine standortspezifische Ermittlung der Belastung in

Milch und anderen Nahrungsmitteln dringend angeraten.“

Die Empfehlung der Wissenschaftler ist inzwischen ein Dreivierteljahr alt und verbarg sich in einem von insgesamt vier Gutachten zur Bremer Müllsituation. Befolgt hat sie in Bremen bislang niemand. Adolf Pösel, zuständiger Referent für Abfallwirtschaft: „Das wären erstens enorm zeitaufwendige und zweitens sündhaft teure Messreihen geworden.“ Außerdem habe die Umweltsenatorin das Batelle -Gutachten seinerzeit zwar in Auftrag gegeben, für die Ergebnisse sei die Umweltbehörde aber nur zuständig, soweit sie sich auf Alternativen zur Bremer Müllentsorgung bezögen. Pösel: „Für individuelle Gesundheitsvorsorge ist das Gesundheitsressort zuständig. Vielleicht müßte denen jetzt mal einer einen Tip geben, die Lebensmittel auf Dioxinbelastung zu untersuchen.“

Anlaß dazu gebe es auch unabhängig von den Empfehlungen der Frankfurter Gutachter: Seit die Bremer Müllverbrennungsanlage in Betrieb ist, hat sie rund 26 Kilo Dioxine und Furane in die Luft geblasen. In ihrer Giftigkeit entspricht diese Menge ca. 260 Gramm des extrem giftigen 2,3,7,8-TCDD-Dioxins, von dem beim Seveso-Unfall 1976 eine bis heute unbekannte Menge freigesetzt worden ist. Schätzungen gehen von 300 Gramm bis 4,5 Kilogramm aus.

Einen Trost hat Abfallexperte Pösel für Bremens Blockland -Bauern und Kleingärtner: „Das meiste von dem Giftzeug, das die Bremer MVA seit ihrem ersten Schnaufer ausgespuckt hat, ist heute eh weg. Es ist eingeatmet, aufgegessen weggeweht oder schwimmt irgendwo im Wasser.“

K.S.

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