Blockierte „Heimat“-Demo in Berlin: Aufs falsche Hütchen gesetzt
Neonazis riefen zu einer antiziganistischen Demo gegen Hütchenspieler nach Mitte. Trotz der Proteste in Gießen stellten sich 1.000 Antifas in den Weg.
Die rechtsextreme Partei Die Heimat, vormals NPD, ist bei ihrem ersten Demonstrationsversuch in Berlin seit fast zehn Jahren gescheitert. Nach mehr als zwei Stunden Stillstand in einem abgegitterten Bereich zwischen Humboldt Forum und Lustgarten rollten die etwa 130 Neonazis ihre Fahnen wieder zusammen. Die Polizei sah keine Möglichkeit, den Rechten eine Demonstration auf der angemeldeten Strecke bis zur Friedrichstraße zu ermöglichen.
Angesichts von mehr als 1.000 Antifaschist:innen, die vor und neben dem rechten Aufzug demonstrierten, sei es „unverhältnismäßig, hier durchzurennen“, wie ein Polizeisprecher der taz sagte. Zur Gegenkundgebung hatten etwa die Omas gegen Rechts und die Initiative Geradedenken mobilisiert. Die ursprüngliche Route der Neonazis Unter den Linden war zum Teil versperrt.
Es schien fast so, als sei die Polizei, die mit 300 Einsatzkräften vor Ort war, überrascht von dem starken Gegenprotest, schließlich demonstrierten zur selben Zeit mehrere tausend Berliner Antifaschist:innen in Gießen gegen den Gründungsparteitag der AfD-Jugend. Sollten die Rechten gehofft haben, das für einen ungestörten Aufzug ausnutzen zu können, ging der Plan nicht auf.
Die neonazistische Partei, die im vergangenen Jahrzehnt stark an Bedeutung verloren hat, versucht sich in jüngster Zeit an einem Schulterschluss mit jugendkulturellen Neonazi-Gruppierungen. Neben Mitgliedern der Heimat-Jugendorganisation Junge Nationalisten fanden sich dann auch Blöcke der Deutschen Jugend Voran (DJV) und der erst kürzlich gegründeten Jägergruppe auf der Demo ein.
Jungnazis ziehen nicht mehr
Doch die wenigen Dutzend Jung-Nazis zeigen: Allzu leicht gelingt die Mobilisierung nicht mehr. Noch im Frühjahr hatte das Spektrum mehr als 800 Menschen in Friedrichshain auf die Straße gebracht – ohne professionelle Parteistrukturen.
Inhaltlich versucht die Heimat an die Schutzzonen-Kampagne der NPD von 2018 anzuknüpfen, bei der sie sich selbst als Ordnungsmacht präsentierte. Mehrere der Neonazis trugen Westen mit dem Begriff „Heimatschützer“. Im Fokus auf ihrer zur Kundgebung gestutzten Demo stand der Ruf nach einem härteren Vorgehen gegen „Hütchenspieler“.
Was dahinter eigentlich steckt – wenn es nicht Rache für den Geldverlust eines Neonazis ist – machten die Reden klar, in denen unverhohlen von „Z*g*n*rbanden“ gesprochen wurde. Es geht ihnen um offenen Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja. Doch die Außenwirkung blieb beschränkt. Unter Rufen und Tröten der Gegendemonstrant:innen waren die Reden außerhalb der Nazidemo selbst nicht zu hören.
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