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Blinde Ergebung

betr.: „Gib mir ein Leitbild!“ von Peter Fuchs, taz vom 4. 1. 00

Fuchs kritisiert die Leitbilddebatte als Gemeinschaftsgemunkel, als Unterwerfung unter eingrenzenden, verdummenden Konsens usw. Und natürlich gibt es diese Gleichmacherei, dieses ängstlich-gewalttätige Einschwören auf Uniformität. Aber was ist die Alternative, die Fuchs anbietet?

Paradoxerweise landet die so vehement vorgetragene Forderung nach unbegrenzter Freiheit, was hier heißen muss: blinder gesellschaftlicher (systemischer) Evolution, gerade in der Herde, der Gedankenlosigkeit, vor der gewarnt wird. Der ach so freie und innovative Wissenschaftler soll einfach forschen, soll die Gene shaken, die Atome zerhacken, die effektivsten psychologischen Vermarktungsstrategien entwickeln usw. Aber er soll sich bitte nicht mit anderen darüber verständigen, ob das gut und richtig ist, ob man das wollen kann, ob es auch anderen Menschen dienlich ist. Gegen den Gemeinsinn kann Fuchs nur polemisieren, weil sein Mensch(enbild) im großen, heiligen System und dessen weiser Evolution gänzlich aufgeht – als würde diese nie Probleme erzeugen.

Am besten wäre es doch, man würde die Fragen nach gemeinsamen Zielen verbieten, dann würde die Realität endlich der (System-) Theorie entsprechen.

Die offene Zukunft wird freilich durch Leitbilder eingeschränkt. Aber sie wird es ebenso durch die ständigen blinden Entscheidungen, zum Beispiel die in Wirtschaft und Wissenschaft, die uns ökologische Probleme bescheren.

Die Freiheit, die Fuchs dem Gemeinschaftsmief entgegensetzt, erweist sich als blinde Ergebung in soziale Evolution: blind für dadurch erzeugte Probleme und ohne jedwede (politische) Gestaltungsbemühung. Freiheit? Stephan Lorenz, Jena

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