Blick über den Tellerand: Von Torhütern und Pampa-Stieren
Was das Sportwochenende in Deutschland bringt, müssen wir nicht erklären.Aber was bewegt eigentlich die Fans im Rest der Welt? Eine nicht repräsentative Rundschau.
Irland – Bloß keine Barbarei
Am Sonntag steht Fußball im Mittelpunkt des irischen Sportgeschehens. Im Dubliner Croke Park findet das Endspiel der National Football League zwischen Mayo und Cork statt. Es handelt sich aber um gälischen Fußball (irisch: Peil Ghaelach), und der hat mit der kontinentalen Variante nur wenig gemein.
Ziel beider Spiele ist es zwar, den Ball im Tor des Gegners unterzubringen, doch beim gälischen Fußball dürfen dazu auch die Hände benutzt werden. Ein Tor zählt drei Punkte. Geht der Ball über die Querlatte zwischen den verlängerten Pfosten hindurch, gibt es aber auch noch einen Punkt - eine Regel, die so manchem Fußball-Bundesligisten zupasskäme.
Für die Torhüter kann ein gälisches Fußballspiel dadurch aber zu einer langweiligen Angelegenheit werden: Sie sind praktisch zu Balljungen degradiert, wenn das Spielgerät - das übrigens fußballrund ist, nicht rugbyeiförmig - in sieben Meter Höhe über sie hinwegschwebt.
Die Regeln zur Behandlung des Gegners sind recht großzügig, sie erinnern an Rugby. Diesen Vergleich weisen die Verbandsfunktionäre der Gaelic Athletic Association (GAA) allerdings zurück: Rugby und Fußball werden abgrundtief verachtet. Bis vor einigen Jahren durften sich GAA-Mitglieder diese "barbarischen englischen Sportarten" nicht mal ansehen, geschweige denn spielen.
Lange Zeit war auch das Nationalstadion Croke Park, benannt nach dem GAA-Mitbegründer Bischof Croke, für diese Sportarten gesperrt. Der Grund der Abneigung liegt in der Geschichte. Die 1884 gegründete GAA war von Anfang an Teil der Widerstandsbewegung gegen die britische Besatzungsmacht.
Inzwischen hat man sich jedoch mit Fußballern und Rugbyspielern arrangiert, wovon alle Seiten profitieren, denn der Croke Park fasst 80.000 Zuschauer und ist bei wichtigen Spielen dennoch zu klein. Das Stadion liegt mitten in einem Norddubliner Arbeiterviertel, doch das Hauptstadtteam hat es lange nicht mehr ins Finale geschafft. Zwar war Dublin gleichauf mit Mayo, aber im direkten Vergleich lag Mayo vorne. Es ist elf Jahre her, dass Dublin das Endspiel erreicht hat. Damals verlor man gegen Cork, und Cork, eine Grafschaft im Süden, ist auch am Sonntag Favorit.
Ralf Sotscheck
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USA – Viehauktion in der Radio City Music Hall
Das Sportereignis des Wochenendes hat schon am Donnerstag in der New Yorker Radio City Music Hall begonnen - und hat mit körperlicher Ertüchtigung erst mal nicht viel zu tun, dafür aber umso mehr mit dem US-amerikanischen Sportsystem: Es handelt sich um den Draft der American-Football-Topliga NFL.
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Drafts gibt es in allen großen US-Ligen. Hierbei werden die Nachwuchsspieler aus den Collegeteams auf die Profimannschaften verteilt. In mehreren Runden dürfen die NFL-Vereine ihre Lieblingsspieler aussuchen, wobei gilt: Je schlechter ein Team im Vorjahr abgeschnitten hat, desto früher ist sein "Draft Pick" innerhalb einer Runde.
Um es noch etwas komplizierter zu machen, sind die Rechte an Draft Picks gern Bestandteil von Transferpaketen à la "Du kriegst drei Spieler von mir, und ich dafür einen von dir, den Draft Pick in der ersten Runde und die Option auf einen weiteren Pick in der vierten Runde im Jahr 2017".
Die Spieler werden bei all dem nicht einbezogen - man kann getrost von einer Viehauktion sprechen. Einer Auktion allerdings, bei der die Kühe mit Millionenverträgen gefüttert werden.
Dieses Jahr begann der NFL-Draft erstmals schon am Donnerstag - damit er besser in der Prime Time übertragen werden kann. Die besten Spieler sind also schon vergeben, wenn am Samstagnachmittag die Runden vier bis sieben anstehen - was die Sportnerds im statistikverrückten Amerika nicht vom Zuschauen abhalten wird.
First Pick ist in diesem Jahr Sam Bradford, ein Quarterback von der University of Oklahoma, einer Talentschmiede: Drei der vier ersten 2010 gedrafteten Spieler kommen von diesem College. Der für seine Passgenauigkeit und Spielintelligenz gelobte Bradford wird jetzt die St. Louis Rams verstärken. Vielleicht gewinnen sie mit seiner Hilfe 2010 ja mehr als nur ein einziges Spiel.
Michael Brake
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Indien – Instantkaffee
Indien erwartet am Sonntag das Traumfinale: Chennai gegen Mumbai - oder M. S. Dhoni gegen Sachin Tendulkar. Dhoni hat als Kapitän der indischen Cricket-Nationalmannschaft sein Land in den letzten Jahren an die Spitze der Weltrangliste geführt. Sachin ist der beste indische Cricketspieler aller Zeiten, blickt bereits auf eine über zwanzigjährige Karriere zurück und war in dieser Saison erneut in Topform. Die beiden Superstars treffen im Finale der drei Jahre jungen Cricket-Liga (Indian Premier League, IPL) aufeinander.
Die Liga beherrscht seit Wochen aufgrund des Verdachts von Steuerhinterziehung gegen IPL-Chef Lalit Modi und mehrere Teambesitzer die Schlagzeilen. Am Sonntag aber wird das die Fans nicht stören, denn für viele ist es das erhoffte Endspiel. Die Chennai Super Kings zählten zu Saisonbeginn eher zu den Außenseitern, da Dhoni ein Team von Unbekannten führt. Aber der Kapitän allein brachte mit seinen Spitzenleistungen die Kings zum Ende der Saison auf die Siegerstraße und bis ins Finale. Die Mumbai Indians waren von Anbeginn der große Favorit und wurde ihrem Ruf lange Zeit gerecht, mussten aber gegen Ende der Saison eine Reihe unerwarteter Niederlagen einstecken, zudem zog sich Teamkapitän Sachin im Halbfinale eine Handverletzung zu. Sein Einsatz im Finale ist zwar wahrscheinlich, aber er wird kaum im Vollbesitz seiner Kräfte antreten. Umso größer sind deshalb die Hoffnungen der Außenseiter aus Chennai.
Das Endspiel der IPL werden am Sonntag hunderte Millionen Cricket-Fans nicht nur in Indien am Bildschirm verfolgen. Vor Ort in Mumbai herrschen drakonische Sicherheitsvorkehrungen, nachdem vor einer Woche beim IPL-Viertelfinale in Bangalore ein Bombenanschlag über ein Dutzend Verletzte forderte und die restliche Spiele deshalb nach Mumbai verlegt wurden. Das neu angesetzte Halbfinale am Donnerstag war kaum besucht.
Alle IPL-Spiele finden im neuen Twenty20-Format an nur einem Abend statt, womit sich die übliche Spielzeit erheblich verkürzt. Puristen halten das neue Format für "Instantkaffee", doch hat es in den letzten Jahren die Vermarktung und Popularisierung von Cricket in zuvor undenkbare Höhen getrieben.
Georg Blume
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Niederlande – Rivalen ohne Randale
Andernorts hätte man von einem Traumendspiel gesprochen: Die beiden Legenden des Landes streiten um den Pokal - und das erstmals seit 30 Jahren. Nicht so in den Niederlanden. Dort löste das Aufeinandertreffen von Feyenoord Rotterdam und Ajax Amsterdam lediglich eine Assoziation aus: Gewalt. Regelmäßig kracht es, wenn die Erzrivalen gegeneinander antreten. Der Spielort machte die Sache zusätzlich brisant. Traditionell wird das Pokalendspiel im Rotterdamer De Kuip ausgetragen.
Besonders im Fokus stand nun die Frage: Wer darf überhaupt ins Stadion? Schließlich findet der klassieker in der Ehrendivision aus genannten Gründen fünf Jahre lang ohne Auswärtsfans statt. Zunächst sollte dies auch für das Finale gelten. Als die Amsterdamer schon einen Boykott erwogen, einigte man sich auf ein Kontingent von 10.000 Karten für die Gäste. Was blieb, waren die schlimmsten Befürchtungen: Auf einer Website der Ajax-Fans kursierte der Aufruf, Rotterdam 70 Jahre nach der fatalen Bombardierung durch die Wehrmacht wieder "völlig plattzumachen". Samt einem Foto von rauchenden Ruinen
Mitte April einigte sich der Fußballverband KNVB mit den Clubs daher auf einen Modus mit Hin- und Rückspiel - ohne Auswärtsfans. Sogar der Innenminister hatte sich eingeschaltet und auf die Kosten der gigantischen Sicherheitsoperation hingewiesen, die in Krisenzeiten nicht zu verantworten seien. KNVB-Direktor Henk Kesler kommentierte: "Das Pokalfinale muss ein Fest sein. Durch diese Unruhe war das nicht mehr möglich." Die größten Partys beim Hinspiel am Sonntagabend dürften nun vor den Bildschirmen steigen.
Tobias Müller
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El Salvador – Luis Ángel Firpo bitte zum Tanz
Es wird ein heißes Fußballwochenende: Erst am letzten Spieltag entscheidet sich, welche vier Teams die Play-off-Runde der Primera División erreichen. Bereits qualifiziert ist der Tabellenführer "Luis Ángel Firpo" aus dem Provinzstädtchen Usulután. Mit dem Namen wird ein argentinischer Boxer geehrt, der in den 20er-Jahren der erste lateinamerikanische Schwergewichtsweltmeister war und den man den "Stier der Pampa" nannte. Entsprechend hat L.A. Firpo einen Stier als Maskottchen.
Wie in vielen Ländern Lateinamerikas gibt es jedes Jahr zwei Meister: Im Frühjahr wird die "Clausura" ausgespielt, im Herbst die "Apertura". Titelverteidiger Futbolistas Asociados Santanecos aus Santa Ana, kurz FAS, ist allerdings schon ausgeschieden. FAS ist so etwas wie das Bayern München El Salvadors - und muss jetzt zuschauen, wie der große Konkurrent CD Águila um die Meisterschaft spielt.
Nirgendwo sonst kann Fußball solche Tragödien auslösen wie in El Salvador. 1969, bei der Qualifikation zur Weltmeisterschaft in Mexiko, führten Straßenschlachten nach den Spielen gegen Honduras zu einem militärischen Konflikt, der tausend Todesopfer forderte und als "Fußballkrieg" in die Geschichte einging. Damals qualifizierte sich El Salvador. Auch 1982 in Spanien war man am Start - und kassierte mit 1:10 gegen Ungarn die höchste Niederlage der WM-Geschichte. In Südafrika ist nun Honduras dabei. Nach der Gruppenauslosung titelte eine große Tageszeitung in San Salvador: "Gott sei Dank haben wir uns nicht qualifiziert!" Honduras muss gegen Spanien antreten. Da wäre eine noch größere Pleite zu befürchten gewesen.
Toni Keppeler
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