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Archiv-Artikel

Blick auf die menschliche Natur

betr.: „Literaturnobelpreis etc. Ruf zerstört“, taz vom 12. 10. 05

Bob Dylan als traurige Kuriosität hinzustellen entbehrt jeglicher Kenntnis seines umfangreichen lyrischen Werkes. Sein Bekanntheitsgrad und seine bereits erhaltenen Auszeichnungen lassen ihn weder kurios noch traurig erscheinen. Geistig erstarrten Menschen wie Knut Ahnlund eine öffentliche Stimme zu verleihen, erscheint mir als Ableger einer jüngeren Generation von Literaturliebhabern hingegen kurios. Ich frage mich, ob der Herr gesellschaftlichen Wandlungen mit regem Geist gefolgt ist oder sich in einem Elfenbeinturm eingeschlossen hat. Um Literatur zu verstehen, muss man dicht am Menschen dran sein, an all seinen Banalitäten und Trivialitäten. Thomas Manns „Buddenbrooks“, Jelineks „Klavierspielerin“ und Bob Dylans Texte wagen einen mikroskopisch genauen Blick auf die menschliche Natur. Das scheint ein ebenfalls sehr menschlich schmollender und grollender alter Mann in Schweden vergessen zu haben. SUNNY KRISTEN, Würzburg