: Black-Power-Frauen tanzen
■ Eröffnung der 7. Hammoniale 97 auf afro-amerikanisch: Die Urban Bush Women aus New York bewegen sich zwischen Tradition und Geschichte
Was entsteht, wenn Black-Power und Power-Frauen zusammenkommen? Ein hochexplosives Gemisch! Das beweisen die Akteure der Dance-Compagnie Urban Bush Women aus New York City: Bei der mitreißenden Performance der sechs Tänzerinnen beben die Bühnenbretter und vibriert das Zwerchfell. Alles ist Rhythmus und Bewegung. Unterstützt von einem Perkussionisten werden die Frauen, allesamt afrikanischer Abstammung, selbst zu Schlaginstrumenten. Sie stampfen, klatschen, schreien, röcheln und rappen.
In der Choreographie transitions nimmt Jawole Willa Jo Zollar, die die Truppe 1984 ins Leben gerufen hat, das verbreitete Denkmuster aufs Korn, daß Gott weiß und männlich sei. Betty moves und self-portrait erzählen Episoden aus der Geschichte und dem heutigen Alltag afro-amerikanischer Frauen.
Der Name Urban Bush Women ist Programm: Es geht Zollar um die Wurzeln der eigenen Identität, um die Kultur ihrer versklavten und verschleppten afrikanischen Vorfahren, aber auch um die Gegenwart schwarzer Frauen im US-amerikanischen Großstadtdschungel.
Die ersten Tanzerfahrungen sammelte Zollar bei einem Schüler von Katherine Dunham, der „Alt-Meisterin“des afro-amerikanischen Tanzes. Seit 1980 befindet sich die Südstaatlerin im kreativen Umfeld von Harlem und Manhattan und entwickelte inzwischen längst einen ganz eigenen Tanzstil. Neben den traditionellen afrikanischen Bewegungsformen sind zeitgenössische Strömungen wie Jazz- und Break-Dance unübersehbar. Die Bühnenmusik integriert Elemente von Spirituals, Blues, Jazz und Soul bis hin zu HipHop.
Die Choreographin begreift Kultur als Katalysator für soziale Veränderungen. Ein zentrales Thema ihrer Arbeit ist die Frage, wie sich eine Gruppe unter dem Druck gesellschaftlicher Zwänge zusammentut, um überleben und sich weiterentwickeln zu können. Bezogen auf die Situation schwarzer Frauen in den USA lassen die kraftvoll-expressiven und zuweilen selbstironischen Tanzszenen eine Menge von dem Ringen um gesellschaftliche Akzeptanz erahnen. Die Stücke sind geprägt von einer kämpferisch-feministischen Haltung und damit auch von einem keineswegs üblichen Selbstbewußtsein der Tänzerinnen. In der Probenarbeit wahrt und fördert Zollar den individuellen Ausdruck ihrer Gruppenmitglieder und nutzt so das kreative Potential des Ensembles.
Die Urban Bush Women tanzen, singen und spielen auf höchstem Niveau. Das ist keine von Männern gemachte Girlie-Group. Das ist nordamerikanische Tanzkultur vom Feinsten.
Birgit J. Neumann
Deutsche Erstaufführung: Mi-Sa, 11.-14. Juni, 20 Uhr, Kampnagel, k6 , bzw k2
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