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Bizarre Parabel

Musik wie von einem anderen Stern: Deutsche Erstaufführung von Olga Neuwirths Oper „Bählamms Fest“ nach einem Libretto von Elfriede Jelinek

Stars gibt es unter den zeitgenössischen Komponisten nur ganz wenige. Das passt nicht zum Genre (respektive dem Selbstbild seiner Akteure), das passt nicht zum selbsterklärten wie tatsächlichen Außenseiterstatus dieser Kunst, die letztlich doch nur von einer Minderheit wahrgenommen wird. Und doch gibt es eine Ausnahme: Die aus Österreich stammende Olga Neuwirth, gerade einmal 34 Jahre alt, hat bereits als 22-Jährige ihren künstlerischen Durchbruch geschafft und gilt seitdem – zumindest in besagten Insiderkreisen – als heimlicher Star der Tonsetzer.

Da mag so manch anderer Komponist kurzzeitig die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, in steter Regelmäßigkeit meldete sich die inzwischen in Venedig lebende Komponistin mit spektakulären, manchmal seltsam schrägen, immer äußerst klangsinnlichen und originellen Werken zu Wort. Sie polarisiert dabei fast immer; zumeist überwiegt die Begeisterung. Zuletzt sorgte ihre Musik zu einem Ballett von Bernd Roger Bienert nach einem Text von Elfriede Jelinek für Aufregung: Der Tod und das Mädchen wurde auf der Expo in Hannover gefeiert. Nun zeigt die Hamburgische Staatsoper das Produkt einer bereits vorher zu Ende gebrachten Zusammenarbeit zwischen der umstrittenen österreichischen Autorin und der jungen Komponistin: Bählamms Fest.

Ein Panoptikum des Grauens: Ein einsames Haus in wilder Heidelandschaft mitten im Winter; vor der Tür liegen Lämmer mit abgebissenen Köpfen. Während also draußen offensichtlich ein Werwolf sein Unwesen treibt, tyrannisiert drinnen Mrs. Carnis ihre Familie. Sohn Philip ist frisch verheiratet, doch seine Frau Theodora schließt sich im Kinderzimmer ein. Der vernachlässigte Ehemann sucht Trost beim Ingwerwein, seine Mutter berät sich mit ihrem Lieblingshund Henry. Mit dem Auftauchen Elisabeths, der tot geglaubten Ex-Frau von Philip, beginnt der Untergang der Familie. Besiegelt wird dieser durch das Fest der Schafe, Lämmer und Böcke, zu dem der Werwolf Theodora einlädt. Dabei wird sich Jeremy, der Werwolf, als Vollstrecker dunkelster Fantasien erweisen.

In 13 Bildern erzählt das Musiktheater der 1968 geborenen Olga Neuwirth eine düster-bizarre Parabel, ein Epos über ein perverses Familiengeflecht, in dem Liebe mit Herrschsucht einhergeht. Olga Neuwirth hat dazu eine Musik geschrieben, die wie von einem anderen Stern erscheint. Live-Elekronik und Kindertrompeten stellen die extremen Pole ihres Klangspektrums dar. Bei den Wiener Festwochen 1999 uraufgeführt, hat das Stück jetzt als Koproduktion der Hamburgischen Staatsoper mit dem Deutschen Schauspielhaus als Deutsche Erstaufführung Premiere.

Die Konwitschny- und Berghaus-Schülerin Vera Nemirowa wird Bählamms Fest als Kammerspiel über die pervertierten Verhältnisse zwischen Mensch und Tier inszenieren. Unter der musikalischen Leitung von Patrick Davin singen neben Olive Frederick vor allem Mitglieder des Internationalen Opernstudios der Hamburgischen Staatsoper. Es dürfte ein ganz besonderer Abend werden. Reinald Hanke

Premiere: Donnerstag, 20 Uhr, weitere Aufführungen: Sonnabend, Sonntag, Dienstag, Mittwoch, 29., 30. Juni 2002, je 20.00 Uhr, Schauspielhaus. Publikumsdiskussion: nach der Aufführung am Sonnabend, Café Elmenreich

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